028 - Ghouls in Soho
saß neben mir. Wir befanden uns in unserer Hotelsuite.
Nachdem ich in Zohra Grants Wohnung die Polizei verständigt und wir unsere Aussagen gemacht hatten, waren wir »nach Hause«
gefahren, und ich hatte sofort den Ex-Dämon zu uns herüber geholt, um ihm brühwarm zu berichten, was sich ereignet hatte.
»Ich entnehme deinen Worten, daß du die Absicht hast, in diesen Fall einzusteigen«, bemerkte der Hüne mit den Silberhaaren.
»Du merkst aber auch alles«, sagte ich ätzend.
»Obwohl es sich um einen ganz gewöhnlichen Kriminalfall handelt, und wir eigentlich auf Fälle spezialisiert sind, die in einen anderen Bereich fallen.«
»Diesmal machen wir eine Ausnahme. Weil Vicky dabei in Mitleidenschaft gezogen wurde«, sagte ich. »Machst du mit? Oder liegst du lieber auf der faulen Haut?«
»Was für eine Frage.«
»Also faule Haut«, sagte ich grinsend.
»Blödmann.«
»Sehr erfreut. Mein Name ist Tony Ballard«, witzelte ich und holte Zohra Grants Notizbuch aus meiner Tasche. »Vickys Freundin machte hier drinnen täglich Eintragungen.« Ich blätterte darin. In manchen Rubriken stand oft nur ein Wort: Post. Bank. Airport…
Wenn Zohra Grant im Kino war, trug sie den Filmtitel ein und vermerkte, wie sie sich unterhalten hatte. Es standen einige Namen und Adressen in dem ledergebundenen Büchlein, und für den heutigen Tag war notiert: Vicky Bonney – hurra!!!
»Sie hat sich sehr auf dich gefreut«, sagte ich zu Vicky.
Meine Freundin nickte ernst und senkte den Blick.
»Die Eintragung ist rot umrahmt«, bemerkte ich.
Zwei Tage vorher hatte sich Zohra Grant vier Telefonnummern aufgeschrieben. Nur die Nummern. Keine Namen, keine Adressen.
Rote Striche leuchteten darunter.
Warum hatte Zohra Grant die Telefonnummern rot unterstrichen? Waren sie ihr wichtig gewesen? Mr. Silver, der sich in meinen Gedankengang einschaltete, ohne daß ich es bemerkte, und daher wußte, was ich mir überlegte, sagte: »Das sollten wir klären, Tony.«
»Was?« fragte ich ihn irritiert.
»Ob und warum ihr diese vier Telefonnummern wichtig waren.«
»Ich schlage vor, wir sehen uns die Leute an, die zu diesen Nummern gehören«, sagte ich.
»Einverstanden. Jeder übernimmt zwei.«
»Bin gespannt, was das bringt«, sagte ich.
»Ich auch, Kamerad«, bemerkte der Hüne. »Ich auch.«
***
Der Mann trat auf Angie Lampert zu. Das rothaarige Mädchen wich entsetzt zurück. Das Ungeheuer in Menschengestalt hatte sie nun doch gefunden.
Sie wollte schreien, doch ihre Kehle war wie zugeschnürt. Der Ghoul grinste grausam. So hatte er Angie Lampert schon einmal angegrinst. Das verstörte Mädchen schauderte.
Der Ghoul betrat ihre Wohnung. Angie ballte die Hände zu Fäusten. Sie zitterte wie Espenlaub. Gestern war sie ihm entkommen.
Würde ihr das noch einmal gelingen?
Würde er sich wieder in dieses schleimige Scheusal verwandeln?
»Wer… wer sind Sie?« preßte sie tonlos hervor. »Was wollen Sie von mir?«
Er grinste nur, sagte kein Wort. Im Krebsgang wich Angie Lampert Schritt für Schritt zurück. Sie stieß mit dem Rücken gegen den Rahmen der Wohnzimmertür, zuckte heftig zusammen, wich zur Seite, zog sich weiter zurück.
Der Ghoul folgte ihr. Noch sah er aus wie ein ungesunder Mensch. Sie tarnten sich gern mit menschlichem Aussehen, diese Bestien, um sich unter den Menschen unauffällig bewegen zu können.
Ihre Maske legten sie erst ab, wenn sie angriffen.
Angie hatte den Eindruck, der unheimliche Kerl würde einen ekeligen Verwesungsgeruch verströmen. Sie blickte sich im Wohnzimmer gehetzt um. Womit sollte sie sich bewaffnen?
Wenn der Schreckliche sie attackierte, mußte sie sich mit irgend etwas verteidigen. Sie entdeckte einen kunstvoll verzierten Brieföffner, die Nachbildung eines japanischen Harakiri-Dolchs.
Blitzschnell holte sie ihn sich und zog die Schneide aus der hölzernen Hülle. Aufgeregt hob sie den »Dolch«. »Kommen Sie keinen Schritt näher«, zischte sie.
Der Mann beachtete die Warnung nicht. Das Grinsen schien auf seinem Gesicht eingefroren zu sein. Angie mußte all ihren Mut zusammennehmen, um trotzig stehenzubleiben.
Sie würde zustechen, bei Gott, sie würde es tun, wenn der Mann sie wieder angriff.
»Es… es macht mir nichts aus, Sie zu töten!« behauptete sie. Das stimmte zwar nicht, sollte aber Eindruck auf den Fremden machen.
Er lachte nur über ihre Worte. Es klang schaurig. Angie befürchtete, bald nicht mehr die Kraft aufbringen zu können, die Waffe zu halten. Himmel,
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