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028 - Zimmer 13

028 - Zimmer 13

Titel: 028 - Zimmer 13 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edgar Wallace
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sich gebracht hat.

8
    In einer ruhigen Straße der Brockleyvorstadt lebte ein Mann, der keiner festen Beschäftigung nachzugehen schien. Er war groß, dünn, auffallend blaß und galt in der Gegend als heimlicher Nachtschwärmer. Nur wenige hatten ihn bei Tage gesehen. Die Neugierigen, die seiner verschwiegenen Haushälterin durch geschickte Kreuzfragen etwas über seine Tätigkeit zu entlocken versuchten, erfuhren verhältnismäßig wenig und dieses Wenige in ungenauer Weise. Polizisten auf ihren Nachtrunden und morgendliche Wanderer hatten ihn zu früher Stunde die Brockley Road heraufkommen sehen, offenbar von London her. Er war als Mr. J. G. Reeder bekannt und erhielt unter diesem Namen große, blaue Briefe, die amtliche Stempel und Siegel trugen. Die Postbeamten vermuteten deshalb, daß er im Staatsdienst stehe.
    Das örtliche Polizeirevier nahm keine Notiz von ihm. Nie hatte jemand beobachtet, daß Mr. Reeder Besuch empfing - bis zu diesem Nachmittag, als Emanuel Legge vor seiner Tür erschien.
    Legge senior war aus dem Gefängnis in die Welt der Geschäfte mit einem klareren Urteilsvermögen zurückgekehrt, als sein Sohn es besaß. Er war ein zu alter Verbrecher, um sich noch von Illusionen beherrschen zu lassen. Früher oder später mußte der Arm des Gesetzes Jeffrey erreichen und die Straflosigkeit, die er jetzt genoß, ein Ende haben. Voll kluger Sorge für seine Nachkommenschaft hatte Emanuel beschlossen, einen kühnen Schritt zu wagen. Daß er es tat, war weder schmeichelhaft für die Justizverwaltung, noch sprach es für die Unbestechlichkeit der Polizeiorgane.
    Während seiner Laufbahn hatte Emanuel manchen jungen Kriminalbeamten, aber auch etliche vorgerückteren Alters, bestochen. Er verstand die Kunst zu schmieren. In seinem Leben war er höchstens drei oder vier Menschen begegnet, die über Bestechung, wenn sie mehr oder weniger verhüllt erfolgte, erhaben gewesen wären. Ein Hunderter da und dort macht dem Gauner vieles leichter, ein Tausender hält das Licht von ihm ab. Ist aber einmal das Licht auf ihn gefallen, kann auch eine Million den unabwendbaren Gang der Justiz nicht mehr aufhalten. Emanuel wollte wirken, bevor das Licht auf seinen Sohn fiel.
    Wenn seine Beobachtungen ihn nicht täuschten, hatte sich die Polizei seit den Tagen seiner Jugend wenig geändert. Mit dem Geheimdienst allerdings hatte er keine Erfahrungen sammeln können. Trotz der ungeheuren Summen, die der Staat in jedem Jahresbudget für diese Institution auswarf, glaubte er fest, der Geheimdienst sei nur die Erfindung eines sensationslüsternen Romanschriftstellers. Und jetzt zum Beispiel bildete er sich ein, Mr. Reeder wäre ein Mann, den nicht das Finanzministerium, sondern die Banken besoldeten. Es hatte eine monatelange Arbeit gekostet, Mr. J. G. Reeder ausfindig zu machen und näher ins Auge zu fassen. Alles übrige mußte kinderleicht sein - vorausgesetzt natürlich, daß Mr. Reeder mit sich reden ließ.
    Die Art, wie ihn die Haushälterin, die öffnete, empfing, versprach nicht viel Gutes.
    »Mr. Reeder ist beschäftigt und kann niemand empfangen.«
    Emanuel setzte sein gewinnendstes Lächeln auf und schickte einen väterlichen Blick durch seine dicken Brillengläser.
    »Wollen Sie so freundlich sein, ihm mitzuteilen, daß Mr. Legge aus Devonshire ihn gerne in einer besonderen Angelegenheit sprechen möchte?«
    Sie schloß ihm die Tür vor der Nase zu und ließ ihn so lange warten, daß er schon annahm, selbst die Magie seines Namens und die Gedankenverbindung, die er hervorrufen mußte, würden ihm keinen Eintritt verschaffen. Diese Befürchtung bestätigte sich nicht. Die Tür öffnete sich wieder, er wurde eingelassen und eine Treppe hinauf in den ersten Stock geführt.
    Das Haus machte einen soliden und bequemen Eindruck. Allerdings wirkte das Zimmer, in das er geführt wurde, ein wenig kahl und amtlich. Hinter einem Schreibtisch saß, mit dem Rücken zum Kamin, ein Mann zwischen fünfzig und sechzig. Sein mageres Gesicht hatte einen traurigen Ausdruck. Fast auf der Spitze der Nase saß ein Kneifer mit großen, runden Gläsern. Das Haar war von eigentümlich rotgrauer Farbe, und die Ohren standen ab. All das bemerkte Emanuel mit einem Blick.
    »Guten Morgen - oder guten Tag, Mr. Legge.« Reeder erhob sich halb und streckte dem Besucher eine kalte, leblose Hand hin.
    »Wollen Sie sich setzen? Ich empfange in der Regel keine Besucher, aber Ihr Name kommt mir bekannt vor. Wo hab' ich ihn bloß schon gehört?«
    Sein

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