028 - Zimmer 13
Kinn sank auf die Brust, wobei er seinen Blick über die Augengläser hinweg richtete.
»Ich wollte Ihnen eine kleine Mitteilung machen, Mr. Reeder«, sagte Emanuel. »Ich nehme an, es ist Ihnen bekannt, daß ich zu den Bedauernswerten gehöre, die durch Verrat ins Gefängnis gekommen sind?«
»Ja, ja, natürlich«, erwiderte Mr. Reeder mit klangloser Stimme. Sein Kinn sank noch tiefer, und seine blaßblauen Augen ruhten unbeweglich auf dem Besucher. »Natürlich, ich erinnere mich. Sie sind der Mann, der die Stahlkammer erbrochen hat. Natürlich, Sie sind es. Legge - Legge? Haben Sie nicht einen Sohn?«
»Ich habe einen Sohn, den besten Jungen auf der Welt«, bekräftigte Emanuel mit Gefühl.
Rechts von Mr. Reeder stand ein Telefon. Während der ganzen Unterhaltung rieb er mit dem Ärmelaufschlag seiner Alpakajacke den Griff des Hörers blank - ein nervöser, kleiner Tick, der Legge zuerst belustigte, mit der Zeit aber aufregte.
»Er hat nie Unannehmlichkeiten gehabt, Mr. Legge? Nein? Ah, das ist ein Glück.« Er seufzte. »So viele junge Leute geraten heute in Unannehmlichkeiten.«
So genau wollte sich Legge nun auch wieder nicht über seinen Sohn unterhalten. Er wechselte das Thema, so gut es ging.
»Soviel ich weiß, Mr. Reeder, hat Sie die Regierung mit besonderen Aufgaben betraut - im Polizeidienst?«
»Nicht im Polizeidienst - nein, nein, sicher nicht im Polizeidienst. Ich kenne kaum einen Polizisten. Ich sehe sie oft auf der Straße - sehr malerische Figuren. Meist junge, kräftige Leute in der Blüte ihrer Jahre. Eine herrliche Sache, die Jugend, Mr. Legge! Sie sind gewiß sehr stolz auf Ihren Sohn?«
»Er ist ein braver Junge«, sagte Emanuel lakonisch.
Mr. Reeder stieß von neuem einen Seufzer aus.
»Kinder sind eine große Aufgabe. Ich frage mich oft, ob ich nicht froh sein sollte, nie geheiratet zu haben. Was für eine Beschäftigung hat Ihr Sohn, Mr. Legge?«
»Er arbeitet in einem Exportgeschäft«, antwortete Legge, ohne sich zu besinnen.
»So, so!« Mr. Reeder schüttelte den Kopf.
»In Dartmoor lernte ich natürlich vielerlei Menschen kennen«, sagte Emanuel. »Menschen, die mir nicht zusagten, da ich ja unschuldig war und meinen Knast - hm, meine Strafe nur der Intrige eines Mannes verdankte, dem ich manchen guten Dienst erwiesen ...«
»Undank«, unterbrach Mr. Reeder mit einem Seufzer. »Ein schreckliches Laster! Wie dankbar muß Ihr Sohn dafür sein, daß er einen Vater hat, der ihm ungeachtet seiner eigenen Verfehlungen eine gute Erziehung gab und ihn auf dem rechten Wege hielt!«
»Na ja, man tut, was man kann.« Emanuel hielt den Zeitpunkt für gekommen, etwas deutlicher zu werden. »Nun hören Sie mal, Mr. Reeder - ich bin ein aufrichtiger Mann und spiele mit offenen Karten. Es ist mir zu Ohren gekommen, daß die Herren, für die Sie tätig sind, unter dem Eindruck stehen, mein Sohn habe etwas mit dem Druck - falscher Banknoten zu tun. Noch nie in meinem Leben hat mich etwas so getroffen wie dieses Gerücht. Darum sagte ich mir gleich: Ich will geradewegs zu Mr. Reeder gehen und die Sache mit ihm besprechen. Er ist ein Gentleman und wird die Gefühle eines Vaters verstehen. Manche Menschen, Mr. Reeder ...« Legge stützte die Ellbogen auf den Tisch, beugte sich vor und stimmte einen vertraulicheren Ton an. »Manche Menschen haben falsche Eindrücke und Vorstellungen. Kürzlich noch sagte mir jemand: Dieser Mr. Reeder ist ein ruinierter Mann, er ist so verschuldet, daß er gerichtliche Vorladungen bekommt .«
»Eine momentane Verlegenheit«, wehrte Mr. Reeder ab. »Man hat zuweilen solche Perioden finanzieller - Depression durchzumachen.«
Er bearbeitete den Hörer mit noch größerer Heftigkeit.
»Ich kann mir nicht denken, daß Sie sehr gut bezahlt werden. Entschuldigen Sie diese persönliche Bemerkung, aber ich weiß, was Armut bedeutet. Ich habe Leute aus der besten Gesellschaft getroffen, und wenn sie mich fragten: ›Mr. Legge, könnten Sie mir mit ein- oder zweitausend aushelfen?‹, nun, dann zog ich sie einfach hervor -.«
Er streckte die Hand in die Tasche und brachte einen ganzen Stoß Banknoten zum Vorschein, der von einem Gummiband zusammengehalten wurde.
Mr. Reeder betrachtete den Haufen Geld mit dem gleichen unbefangenen Interesse, das er bisher Emanuel gewidmet hatte. Behutsam streckte er die Hand aus, ergriff den obersten Schein, befühlte ihn, ließ ihn zwischen den prüfenden Fingern rascheln und blickte schnell nach dem Wasserzeichen.
»Echte
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