0280 - Wir und der Mörder ohne Namen
und Hyram werde ich ihn mir in den Vormittagsstunden einmal genauer ansehen.«
»Du wirst nachmittags hier in Chicago gebraucht, Phil«, sagte ich und setzte ihm meinen mit Fred Lewis ausgeheckten Plan auseinander.
Phil pfiff durch die Zähne. »Nicht schlecht, aber riskant.«
»Nur für dich.«
»Das kann man wohl sagen, du Gemütsathlet. Na, jedenfalls werde ich rechtzeitig an Ort und Stelle sein.«
Danach ließ ich mich mit der Mordkommission der Chicagoer City Police verbinden. Lieutenant Adams war zum Glück zu erreichen. Aus New York war er bereits über alles unterrichtet worden.
Er versprach mir, Fred Lewis ab sofort unauffällig überwachen zu lassen. Ich gab die Adresse des jungen Mannes durch. Zwei Beamte würden von nun an ständig in seiner Nähe sein.
Auch Adams wurde in meinen Plan eingeweiht. Er sagte, ich könne mich auf ihn verlassen.
Somit hatte ich alle Vorkehrungen getroffen.
***
Am nächsten Morgen saß ich gerade beim Frühstück, als Fred Lewis erschien. Er war blaß und aufgeregt.
»Hätten Sie nicht anrufen können?« sagte ich mit gerunzelter Stirn nach der Begrüßung. »Wenn der Dämon Sie beschatten läßt, ist alles verraten. Dann können wir unseren Plan aufstecken.« Lewis schnappte nach Luft. »Mein Hotel, Mr. Cotton, liegt etwa zehn Minuten entfernt. Ich bin aber bereits seit mehr als einer Stunde unterwegs. Ich bin durch drei Kaufhäuser gelaufen, habe sie durch die hinteren Ausgänge verlassen, habe zweimal das Taxi gewechselt und Haken geschlagen wie ein gejagter Hase. Unmöglich kann mich ein Verfolger im Auge behalten haben.«
Ich lachte. »Dann haben Sie vielleicht sogar Ihre Bewacher von der Polizei abgehängt. Für Ihr Wohl wird nämlich bereits unauffällig gesorgt.«
Lewis atmete erleichtert auf. »Um auf den eigentlichen Grund meines Besuches zu kommen: Man hat mich angerufen. Vorhin! Sehr früh. Ich wollte gerade mit dem Frühstück beginnen.«
»Und?«
»Ich soll eine schwarze Aktentasche kaufen, das Geld hineinpacken und damit heute nachmittag zwischen drei und vier Uhr den Lake Shore Drive entlangbummeln. Zwischen der Delaware und der Pearson Street.«
»Wer sprach mit Ihnen?«
»Es war eine Männerstimme. Offensichtlich verstellt. Wahrscheinlich hat der Anrufer ein Tuch über die Sprechmuschel gelegt. Die Stimme klang dumpf. Es waren nur wenige Worte. In ganz knapper Form bekam ich die Anweisungen. Dann wurde sofort aufgelegt.«
Ich überlegte einige Sekunden. Der Zeitpunkt war günstig. »Sie müssen aufpassen, daß man Ihnen die Tasche nicht abnimmt, wenn Sie die Bank verlassen. Am besten ist, Sie gehen dort erst in letzter Minute hin.«
Lewis schüttelte den Kopf. »Das geht nicht, weil die Bank bis drei Uhr nachmittags geschlossen hat. Aber ich werde vorsichtig sein. Und außerdem sind ja meine Bewacher in der Nähe.«
***
Am späten Vormittag rief Phil aus New York an und teilte mit, daß die Suche nach dem Herkules vom Luna Park erfolglos verlaufen sei. Wie der Besitzer der Schaubude aussagte, sei der Mann — er nannte sich Sam Cantler — vor einer Woche aufgetaucht, habe einen atemberaubenden Kraftakt vorgeführt und um eine Anstellung gebeten.
Als es jedoch vor zwei Tagen zu einer Schlägerei kam, feuerte der Schaubudenbesitzer seine neue Attraktion erbarmungslos hinaus. Niemand wußte, wohin sich der Riese gewandt hatte.
»Übrigens, in 20 Minuten geht mein Flugzeug, Jerry«, sagte mein Freund abschließend. »Es bleibt doch wie besprochen?«
»Wie besprochen, Phil. Ich kann dir jetzt Einzelheiten mitteilen.«
Nachdem ich das getan hatte, legte ich auf. Dann rief ich in Fred Lewis’ Hotel an und erkundigte mich beim Portier, ob am frühen Vormittag ein Anrufer nach Lewis verlangt habe. Das wurde mir bestätigt.
Ich hielt diese Nachforschung für notwendig. Man kann nie wissen. Leicht hätte Lewis lügen können.
In einem Herrenmodengeschäft kaufte ich mir noch vor dem Lunch einen neuen Anzug und einen Gabardinemantel.
Der Verkäufer meinte, daß es am Nachmittag regnen werde. Daraufhin erstand ich zusätzlich einen großen schwarzen Regenschirm.
***
Der Lake Shore Drive zieht sich am Ostrand von Chicago dahin, also am Ufer des Michigansees.
Ich bummelte, langsam über die Uferpromenade. Es war jetzt 2.30 Uhr nachmittags, also hatte ich noch etwas Zeit.
Mit tief in den Manteltaschen vergrabenen Händen und hochgestelltem Kragen mußte ich ganz den Eindruck eines müßigen Spaziergängers machen. Ich beobachtete alles um
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