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0281 - Ein Spitzel zieht die falsche Karte

0281 - Ein Spitzel zieht die falsche Karte

Titel: 0281 - Ein Spitzel zieht die falsche Karte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ein Spitzel zieht die falsche Karte
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da Cotton heißt?«
    »Absolut«, erwiderte er.
    Ich beäugte mein Spiegelbild. Ein feister, blöde blickender Kerl stierte mich aus dem Spiegel an. Die Augen bekam er kaum auf und den Mund kaum zu. Selbst seine Stimme klang mir völlig fremd.
    »Es liegt an den Spritzen«,, erklärte Sebastino. »Während einzelne Muskeln so geschwollen sind, daß sie verkürzt wurden, sind andere Partien völlig erschlafft. Bei jedem Wort, das Sie jetzt sprechen, haben Ihr Mund und Ihr Gaumen und Ihre Zunge eine andere Stellung als früher. Das verändert den Klang einer Stimme sehr.«
    »Sie sind der wahre Hexenkünstler, Sebastiano«, sagte ich und erschrak von neuem über den völlig fremden Klang meiner Stimme. »Wenn ich mir im Dunkeln begegnen würde, könnte ich mich fürchten.«
    Sebastiano lachte geschmeichelt. Ich arrangierte schnell, daß er von einem anderen Wagen wieder nach Hause gebracht wurde, bevor ich mich in einen kleinen Saal im Distriktsgebäude begab, den ein Fremder auf den ersten Blick hin für die Kostümschneiderei eines Theaters halten könnte. Es gibt hier kaum ein Kleidungsstück aus dem amerikanischen Alltag, das man nicht in zwei oder drei Größen antreffen kann, einschließlich aller eventuell nötigen Requisiten. Gepäckträger, Speisewagenkellner, Marineleutnant, Stadtpolizist, Eisverkäufer oder Rummelplatzwächter — hier ist alles vorhanden.
    Als ich die Tür zu dieser »Garderobe«
    — wie wir den Raum kurz nennen — aufmachte, rief mir der alte Holloway entgegen:
    »’raus, hier dürfen nur G.-men ’rein!«
    »Stimmt«, sagte ich und zog die Tür hinter mir zu. »Daddy Holloway, sei nicht kleinlich, gib mir was, das zu dieser Visage paßt.«
    Holloway legte seinen kahlen Kopf mit den unzähligen Runzeln schief, musterte mich knapp, aber gründlich, und sagte anerkennend:
    »Cotton! Donnerwetter, da hat Sebastiano wieder mal eins seiner Meisterwerke vollbracht. Wenn ich deine phantasielosen Krawatten nicht kennen würde, hätte ich dich wirklich nicht erkannt. Laß mal nachdenken — eh —, wie wär’s mit einem Viehhändler?« Ich erschrak noch einmal.
    »Mach’ ich den Eindruck?«
    »Ja, dafür kannst du durchgehen. Warte mal, ich weiß auch schon, was du anziehst.«
    Er lief durch seine Regalreihen und schleppte alles zusammen. Abgesehen davon, daß er meinen Leibesumfang um beinahe das Doppelte erhöhte, steckte er mir auch einen zerfledderten Taschenkalender zu — herausgegeben vom amerikanischen Viehzüchter verband —, eine goldene Taschenuhr mit einer eingravierten Widmung vom Boß der »Black-A-Ranch«, die weiß der Himmel wo liegen mochte, und dazu eine Uhrkette, an der zwei mächtige, in Gold gefaßte Stierzähne baumelten.
    »Gibt’s Leute, die heutzutage noch so ’rumlaufen?« fragte ich mißtrauisch, als ich mich wieder einmal im Spiegel besah.
    »Bei den großen Viehauktionen massenhaft«, erwiderte Holloway, »Natürlich findet so etwas nicht in New York statt. Also verplappere dich ja nicht, daß du etwa geschäftlich hier wärst! Für Viehauktionen ist Chicago der richtige Platz. Erzähl einfach, du wolltest endlich mal dieses sagenhafte New York kennenlernen, und da wärst du für drei Tage ’rübergekommen. Und gähne ein bißchen, wo auch immer du bist. Ein richtiger Viehhändler läßt sich nicht so leicht von irgendwas beeindrucken. Bevor du überhaupt den Mund aufmachst, sieh dir die vordersten Seiten des Taschenkalenders an, den ich dir in die Rocktasche gesteckt habe. Da steht einiges über Vieh im allgemeinen und über die Preise im besonderen drin. Okay?«
    »Daddy«, sagte ich dankbar, »ich werde dich rühmend in meinen Memoiren erwähnen.«
    »Hau ab!« grinste der Alte zufrieden. Ich tats. Im Distriktsgebäude, in der Halle, begegnete mir Jimmy Stone. Ich zog artig den Hut und sagte mit meiner veränderten Stimme:
    »Guten Abend, Sir!«
    Jimmy fuhr zusammen, stotterte etwas und erwiderte endlich, sichtlich verblüfft:
    »Guten Abend, guten Abend, Sir.« Gleich darauf fragte er den Kollegen am Auskunftsschalter leise, aber eben nicht leise genug:
    »Kennst du den?«
    Ich war restlos zufrieden, wenn ich auch ein eigenartiges Gefühl in meinem Gesicht hatte. Einzelne Muskelpartien waren so gespannt, daß sie leicht schmerzten. Aber es war auszuhalten.
    Auf der Straße rief ich mir ein Taxi. Polternd ließ ich mich auf den Rücksitz fallen und brummte dem Fahrer zu:
    »Gibt’s in diesem langweiligen Nest auch was Hartes zu trinken — oder leben hier

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