0283 - Im Banne der grauen Schatten
rechten Hand ans Kinn und rief: »Nach Hause! Deswegen bin ich überhaupt gekommen. Vor Langeweile hatte ich das Radio eingeschaltet. Wisst ihr, was grade durchkam?«
Wir schüttelten die Köpfe.
»Keine Ahnung«, sagte ich. »Was denn?«
»In Duffs Wohnung ist vor ungefähr zehn Minuten eine Höllenmaschine explodiert!«
***
Der Bauunternehmer Harry Bollinger war knapp zwei Meter groß und wog an die zweihundertzwanzig Pfund. Dennoch befand sich kein Gramm überflüssiges Fett an seinem stämmigen Körper. Ein Leben voll harter Arbeit hatte aus seinem Körper eine perfekt funktionierende Maschine aus Knochen und Muskeln gemacht.
»Was ist los?«, raunzte er unfreundlich, als er Handy Lords und van Geeren vor seiner Tür stehen sah. »Was wollt ihr?«
Van Geeren hatte die Hände in den Hosentaschen. Er sah Bollinger abschätzend an. Der Mann hatte ein sonnengebräuntes Gesicht, schmale, misstrauische Augen und ein energisches Kinn.
»Sie sind Harry Bollinger, nicht wahr?«, erkundigte sich van Geeren.
»Ja, in Lebensgröße.«
»Das da ist mein Mitarbeiter Handy Lords. Ich bin Detective-Lieutenant Hendrik van Geeren. Hier ist mein Ausweis.«
Van Geeren hielt ihn hin. Bollinger warf nur einen flüchtigen Blick darauf.
»Na und?«, knurrte er wütend. »Was wollen Sie? Verdammt noch mal, hat man denn nicht einmal am Abend vor euch Ruhe?«
»Ich muss mit Ihnen sprechen, Mister Bollinger.«
Der Bauunternehmer zögerte einen Augenblick, bis er die Tür freigab.
»Euch wird man ja doch nicht los, bevor ihr nicht euer Ziel erreicht habt«, seufzte er. »Also kommt rein!«
Er führte seine beiden Besucher in ein geräumiges Wohnzimmer. Eine farblose Frau in den Dreißigern saß auf einer Couch und sah sich das Fernsehprogramm an. Als Bollinger mit den Gästen hereinkam, stand sie neugierig auf.
»Ich habe noch eine geschäftliche Sache zu besprechen«, brummte Bollinger nicht eben höflich. »Lass uns allein, ja?«
»Ja, Harry«, erwiderte die Frau mit jener beinahe demütigen Ergebenheit, die Ehefrauen immer dann auszeichnet, wenn sie sich in ein unabwendbares Schicksal ergeben haben. Mit einem leisen Nicken, das wohl einen Gruß darstellen sollte, ging sie an van Geeren und den anderen beiden Männern vorbei in ein Nebenzimmer, dessen Tür sie sorgfältig hinter sich schloss.
»Seit wann machen Sie Geschäfte mit der Polizei?«, fragte van Geeren.
»Mit der Polizei? Wieso?«
»Sie sagten doch, wir hätten etwas ›Geschäftliches‹ zu besprechen.«
Bollinger zuckte die Achseln.
»Die Frauen brauchen nicht alles zu wissen«, brummte er. »Oder erzählen Sie Ihrer Frau alles?«
Van Geeren ging auf die Frage nicht ein. Er sah sich flüchtig im Zimmer um und ließ sich schließlich in einen breiten Klubsessel fallen, der ihm hinsichtlich seiner Widerstandsfähigkeit gegenüber seinem Gewicht von vornherein Vertrauen einflößte.
»Sie haben doch nichts dagegen, wenn wir uns setzen?«, fragte er, als er bereits saß.
»Wenn es dann schneller geht, ist es mir sehr recht«, erwiderte Bollinger. Er schaltete das Fernsehgerät aus und setzte sich ebenfalls. Nun wagte auch Handy, Platz zu nehmen. »Also was gibt es?«, fuhr Bollinger fort. »Habt ihr wieder einen neuen Bestechungsskandal aufgedeckt?«
»Gibt es denn noch einen?«, fragte van Geeren freundlich. »Ich meine, noch einen anderen außer dem, den der Fernsehreporter Ballister aufgedeckt hat?«
»So legt man kleine Kinder rein, Lieutenant«, lachte Bollinger. »Aber nicht mich. Nun schießen Sie endlich los! Was habe ich jetzt wieder verbrochen?«
»Wo waren Sie heute früh gegen halb zehn?«
Bollinger hob ruckartig den Kopf und sah van Geeren überrascht an. Es war ganz offensichtlich, dass ihn diese Frage überrascht hatte.
»Halb zehn?«, wiederholte Bollinger. Van Geeren fragte sich, ob er durch die Wiederholung Zeit gewinnen wollte. Jedenfalls brauchte er nicht viel, denn gleich darauf sagte er mit einem Achselzucken: »Auf irgendeiner Baustelle wahrscheinlich. Meine Jungs arbeiten an sechs verschiedenen Orten. Da hat man zu tun, wenn man sie alle einigermaßen unter Aufsicht halten will.«
»An Ihrer Stelle würde ich doch mal nachdenken«, murmelte der Lieutenant. »Vielleicht fällt Ihnen ein, welche Baustelle es war. Ein paar Zeugen, die es bestätigen könnten, wären auch ganz nützlich.«
»Zeugen?« Bollinger stand auf. »Hören Sie mal«, knurrte er unfreundlich. »Ich habe andere Sachen im Kopf als zwanzigmal im Laufe des
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