0283 - Xorrons Totenheer
Schwierigkeiten gegeben. Inzwischen waren wir dort so bekannt wie bunte Hunde, und man wußte, mit welchen Fällen wir uns leider herumzuplagen hatten.
Man bot uns Hilfe an, und wir versprachen, wenn wir sie nötig hatten, darauf zurückzukommen.
Erst einmal wollten wir allein die Recherchen durchführen.
Es gab in der Tat einen Friedhof am Stadtrand von London, den man in gewisser Hinsicht als exotisch bezeichnen konnte, denn dort lagen unter der kalten Erde zumeist Ausländer.
Nicht, daß die englischen Behörden etwas gegen die Menschen gehabt hätten, aber der Wunsch, gerade auf diesem bestimmten Friedhof beigesetzt zu werden, entsprach dem jeweiligen Letzten Willen der Verstorbenen. Und so war eben diese Stätte eingerichtet worden.
Nicht nur Japaner hatten dort ihr Grab gefunden, auch Chinesen und Indonesier. Es war ein asiatischer Friedhof und mit einem europäischen nicht zu vergleichen, wie man uns in der Botschaft versichert hatte.
Davon allerdings wollten wir uns selbst überzeugen. Deshalb befanden sich Suko und ich auf dem Weg zu ihm.
Wenn mein Freund und ich einen Friedhof besuchten, blieb immer ein dumpfes Gefühl bei uns zurück. Diese Stätten, so völlig normal sie eigentlich waren, hatten uns oft genug Rätsel aufgegeben und waren manchmal Ausgangspunkte für gefährliche Fälle gewesen. Aus diesem Grund hatten wir uns auch dementsprechend bewaffnet.
Da Sicherheit über allem stand, hatte ich meinen Bumerang ebenfalls mitgenommen. Er lag nicht im Einsatzkoffer, sondern befand sich am Körper.
Irgendwie kamen wir uns vor wie Einzelkämpfer. Wir verließen London, erreichten den Stadtrand und erlebten, wie der Verkehr spärlicher floß.
Viele Wagen bogen in die hübschen Wohngebiete ab. Menschen wollten den Feierabend und einen Sommerabend genießen, während wir uns auf der Fahrt zu einem Flecken Erde befanden, den man mit einer magischen Zeitbombe vergleichen konnte, die jeden Augenblick zu explodieren drohte.
»Ich wußte überhaupt nicht, daß es hier so einen Friedhof gibt«, sagte Suko.
»Und das bei deinen vielen Vettern.«
»Eben.«
Sukos Vettern waren zwar nicht verwandt mit ihm, aber irgendwie schienen sich alle Chinesen in London zu kennen. Wenn Suko bestimmte Informationen benötigte, wandte er sich an seine Landsleute, und er bekam auch meist, was er brauchte.
Der Himmel war jetzt bewölkt. Da die Luft stark drückte, deutete alles auf ein nahes Gewitter hin. Eine Abkühlung hätte wirklich gutgetan, denn London erstickte fast in der Schwüle und unter der gewaltigen Dunstglocke.
Eine kleine Siedlung passierten wir. Die Menschen saßen entweder vor den roten Backsteinhäusern oder hielten sich in den schmalen Gärten auf. Viele Blicke waren zum Himmel gerichtet. Auch hier wartete man auf das erlösende Gewitter.
Links von uns begann ein Waldgebiet. Davor standen verstreut einige Häuser.
Und hinter dem Wald lag der Friedhof. So jedenfalls wußten wir es aus Erklärungen und von der Karte her.
Die Straße umrundete den Wald, wurde enger, zweigte nach rechts ab, die Asphaltdecke wurde löchrig und wir konnten über den Weg direkt auf unser Ziel zufahren.
Da lag der Friedhof.
Ich stoppte den Bentley, stieg aus, und Suko tat es mir nach. Wir blieben neben dem Wagen stehen, um den Friedhof erst einmal auf uns einwirken zu lassen.
Schon jetzt erkannten wir, daß die Bäume sehr dicht standen. Sie bildeten über dem Gelände ein gewaltiges grünes Dach. Eng verflochten. Wahrscheinlich hielt es sogar den größten Teil der einfallenden Sonnenstrahlen ab.
Eine Mauer oder einen Zaun entdeckten wir nicht, und es wies auch nichts darauf hin, daß es mit diesem Friedhof eine besondere Bewandtnis hatte. Alles war völlig normal.
Vielleicht waren wir doch rechtzeitig genug gekommen, um den Anfängen zu wehren.
Es wurde düster.
Aus Richtung Westen schoben sich die dunklen Wolken heran. Eine breite graue Front, aufgeladen mit Elektrizität; das Gewitter würde kommen, daran gab es nichts zu rütteln.
Die Luft empfanden wir als seltsam dick, drückend, aber dennoch klar.
Wenn wir sprachen, trug der Schall unsere Stimmen weiter als normal.
Wir unterhielten uns nur im Flüsterton, als wir dem Ziel näher kamen.
Etwa die Hälfte der Strecke zwischen dem Bentley und dem Friedhof hatten wir bereits zurückgelegt, als wir auch das Tor sahen.
Niemand schien den Friedhof zu pflegen. Deshalb war es den Pflanzen und Büschen gelungen, sich an dem Tor und dem Gitter so hochzuranken,
Weitere Kostenlose Bücher