0283 - Xorrons Totenheer
beim Zurückschnellen noch mit auf das Maul zuzog.
Mit aller Kraft hielt ich dagegen, und es gelang mir, die Zunge ein Stück einzuschneiden, bis das Messer mit einem Ruck wieder freikam, ich die heftige Bewegung nicht ausbalancieren konnte und nach vorn fiel.
Zeit, um liegenzubleiben, hatte ich wahrlich nicht. Deshalb drehte ich mich und schaute von unten her gegen die Zunge.
Sie hing aus dem Maul und auch dem Boden zu. Bewegungslos, tot, grau. Aus der Wunde fielen dicke Tropfen. Die schwarze Flüssigkeit klatschte neben mir auf das Moos. Gleichzeitig erlosch der zornige Blick der Krötenaugen. Sie nahmen eine ebenso stumpfe Farbe an wie die Zunge, und das Maul verschloß sich vom Oberkiefer her.
Langsam klappte es zu, während die Zunge nicht zurückgezogen wurde.
Schließlich berührte die obere Maulhälfte sie, und sie wirkte wie die Schneide eines Messer, denn sie kappte die Zunge.
Ich hatte meine Stellung inzwischen gewechselt, sonst wäre das Stück noch auf mich gefallen. Zwei Schritte entfernt blieb es schließlich liegen.
Masse, die aussah wie ein alter Schwamm, der durch das heiße Sonnenlicht ausgedörrt war und allmählich zerfiel.
Diese Gefahr hatte ich überstanden.
Aber wie war es Suko ergangen? Zuletzt hatte ich von ihm nur ein Fluchen gehört. Ich wußte auch die Richtung, in die er gelaufen war, setzte mich selbst in Bewegung und hielt nach weiteren Gräbern Ausschau.
Vor mir tanzte ein Busch.
Im ersten Augenblick erschien es so, denn seine Zweige wurden wild bewegt. Allerdings nicht vom Wind, den gab es hier nicht, sondern von einer Person, die sich hinter dem Busch befand.
Es war Suko.
Für einen Moment sah ich sein Gesicht. Es befand sich seltsam tief.
Mich durchfuhr ein heißer Schreck. Ich beeilte mich noch mehr, schleuderte die Zweige zur Seite und sah meinen Partner in einer grauenhaften Lage.
Er steckte in einem Grab fest.
Doch nicht in der Erde, sondern in einem Grab, das bis zum Rand mit gelben, handlangen Schlangen angefüllt war, und nur Sukos Kopf schaute noch daraus hervor…
***
Bisher waren die Horror-Freunde aus Deutschland nur zu einem Statisten-Dasein verbannt gewesen, das änderte sich auch in den folgenden Minuten nicht, als die Magie von Shimada ihre Wirkung zeigte.
In der Nähe befanden sich einige Gräber. Zwei von ihnen konnten von den jungen Menschen direkt ein- und angesehen werden, drei weitere verschwammen im Dämmerlicht.
Bei allen fünf Gräbern tat sich etwas.
Es begann mit den Steinen. Bisher hatten sie stumm und bewegungslos auf dem Boden gestanden, nun aber passierte in ihrem Innern etwas, das rational nicht zu erklären war.
Aus den Poren der Steine drang ein beißender Qualm. Er fand überall seine Ausgänge, erinnerte an tausend dünne Arme, die sich, wenn sie ihr Gefängnis verlassen hatten, wieder fanden und sich zu Wolken verdichteten.
Gleichzeitig brachen die Steine.
Das dabei entstehende Knirschen drang den Zuschauern unter die Haut.
Die Denkmäler auf den Gräbern verloren ihren Halt, wurden schief, bröckelten ab, wobei die Reste auf die Erde fielen und als Fragmenter liegenblieben.
Zuerst hörte sich der Laut menschlich an, der aus einem der Grabsteine drang, dann ging er über in ein Röhren und Fauchen, und ein jeder sah, daß sich der Grabstein bewegte.
Von innen wurde er gesprengt.
Im selben Augenblick verließ ein zottiges Tier mit glühenden Augen die Stätte. Es besaß eine entfernte Ähnlichkeit mit einem Bären, wirkte aber noch schwerfälliger.
Dampf quoll aus einem Rachen.
Shimada lachte, als ihm die Wolke entgegenfuhr. »Say-Kurana!« schrie er. »Sei willkommen auf diesem Friedhof! Lange genug hast du ihn gehütet. Jetzt gehörst du mir!«
Und das Untier brüllte. Damit gab es seine Zustimmung, kreiselte herum, entdeckte die vier waffenstarrenden Diener des Ninja-Dämons und fixierte dann die Menschen.
Die glühenden Augen wirkten auf die acht jungen Freunde wie gefährliche Dolche. Die Blicke brannten ihnen entgegen. Sie schienen in ihre Körper dringen zu wollen, um ihre Seelen zu zerreißen.
Ullrich und Hauke, die sich bisher noch am besten gehalten hatten, begannen ebenso zu zittern wie die anderen, während hoch über ihnen immer mehr Wolken zusammengetrieben wurden und ein fast undurchsichtiges graues Dach bildeten.
Say-Kurana, das Untier aus dem Grab, drehte sich und schüttelte unwillig seinen Kopf. Irgend etwas schien diesen Tierdämon zu stören, denn sein Fell sträubte sich, und plötzlich
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