0284 - Der Henker und sein Millionär
dass die Leiche eines jungen Farbigen auftauchen würde.«
»Warum?«
»Phil Decker vom FBI nimmt an, dass man Charly Kitt, so heißt der Tote wahrscheinlich, umgebracht hat. Wenn es sich um Kitt handelt, dann gehört dieser Mord zu einer Serie, deren Angelpunkt Brooklyn ist.«
Um 7 Uhr fünfundfünfzig ließ sich Lieutenant Mitcham mit dem FBI verbinden. Er verlangte Phil an den Apparat.
»Hallo, Decker?«
»Yes, Lieutenant.«
»Wir haben Kitt gefunden.«
»Berichten Sie!«
Mitcham erzählte alles der Reihe nach. »Doc Wilford stellte bei seiner Obduktion fest, dass der Tote kein Wasser in der Lunge hatte. Er war also schon tot, bevor sie ihn in den Bach warfen. Sie hatten uns doch die Prints von Kitt zugeschickt, Decker, erinnern Sie sich?«
»Natürlich, Mitcham. Wir haben sie in der Wohnung seiner Eltern gesichert. Haben Sie Vergleiche gemacht?«
»Yes, um ganz sicher zu gehen. Aufgrund dessen wissen wir mit Bestimmtheit, dass es Kitt ist.«
Am anderen Ende der Leitung blieb es still.
»Hallo, Decker? Sind Sie noch da?«
»Yeah«, hörte er Phils raue Stimme. »Ich habe gerade überlegt, wie ich es den beiden alten Leuten beibringen soll.«
***
Die Sonne meinte es an diesem Nachmittag gut mit den New-Yorkern. Sie bummelten mit ihren Familien durch die Straßen, um Schaufenster zu betrachten, oder saßen auf den schattigen Bänken des Central Parks. Auch an der Grand Army Plaza herrschte lebhafter Betrieb.
Zwischen der East 58. und 59. Straße liegt das Savoy-Plaza-Hotel. Das Eingangsportal, mit den drei Sternenbannern darüber, befindet sich auf der Fifth Avenue. Dort stand heute Lucius Tapping. Seine Aufgabe war es, den ankommenden Gästen den Wagenschlag zu öffnen, den beiden Hotelboys, die hinter der Glastür warteten, einen Wink zu geben, damit sie sich des Gepäcks annahmen, und die Gäste dann durch den Eingang zu führen, wo sie vom Empfangschef begrüßt wurden.
Lucius Tapping war stolz auf seine Uniform mit den vielen Schnüren und Kordeln. Immer wieder hauchte er die Metallknöpfe an und rieb sie an dem roten Uniformtuch blank. Eben hielt wieder ein Yellow Cab vor dem Eingang.
Tapping spritzte vor und riss die Tür auf. Geduldig wartete er, bis der Gast den Fahrer entlohnt hatte, dann reichte er ihm seinen Arm. Der Herr war ziemlich beleibt. Mühsam zwängte er sich mit Tappings Hilfe aus dem Wagen.
»Danke, Joe. Sie sind sehr aufmerksam«, sagte er.
»Ich heiße Lucius, Sir«, verbesserte Tapping lächelnd.
Der Dicke nickte. »All right, Joe! Ich bin Amor Vickert aus Edmonton in Kanada. Meine Sekretärin hat ein Doppelappartement für mich bestellt.«
Tapping verbeugte sich. »Sehr wohl, Sir!«
Er drehte sich um und klatschte in die Hände. Sofort spritzten die beiden Hotelboys heraus. Der Chauffeur hatte die Gepäckstücke auf dem Bürgersteig aufgebaut. Die Boys nahmen sie auf.
»Macht einen guten Eindruck«, meinte Mr. Vickert und sah an der gigantischen Außenfront des Savoy-Plaza hoch.
»Was macht denn der da oben?«, fragte er plötzlich.
Tapping sah nach oben. »Wo denn, Sir? Ich sehe nichts.«
»Mann, wo haben Sie denn Ihre Augen? Da links, an dem Vorbau.«
Nun sah auch Tapping den Mann, der zwischen zwei Fenstern des 13. Stockwerks auf dem schmalen Sims stand.
»Um Gottes willen«, stammelte er.
Die ersten Passanten blieben stehen und sahen nach oben.
»Da will einer runterspringen«, schrie eine Frau ganz aufgeregt.
Im Nu sammelte sich eine riesige Menschenmenge auf der Straße. Tapping lief ins Hotel hinein.
»Mr. Glaser! Mr. Glaser!«
Der Empfangschef kam heran. Er machte ein ärgerliches Gesicht. »Was schreien Sie denn so,Tapping?«, zischte er. »Sie machen mir ja die.Gäste rebellisch mit Ihrem Lärmen. Was ist los?«
»Sir, im 13. Stock des Nordwestflügels steht ein Mann auf dem Sims. Ein Lebensmüder, Sir. Er will bestimmt auf die Straße springen.«
Glaser wurde blass. »Ist der Mann verrückt?«, fragte er. »Warum sucht er sich dafür ausgerechnet unser Hotel aus?«
»Keine Ahnung, Sir.«
Glaser lief zur Straße. Der Mann stand mit dem Rücken an der Wand. Er stützte sich mit beiden Händen dagegen und sah nach unten. Die gaffende Menge war weit zurückgetreten, dass genügend Platz unter dem Fenster blieb. Auch auf der anderen Straßenseite stauten sich die Menschen.
Glaser stürzte wieder ins Hotel. Er lief zur Rezeption.
»Bending, rufen Sie die Polizei an. Wir haben einen Selbstmörder im Hotel. Er steht schon auf dem Sims des 13.
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