0286 - Briefe aus der Hölle
gesprochen und auf ihn so eingewirkt, daß er mit Luang Kontakt aufnahm. All die hier Versammelten hingen sehr an ihren Vorfahren, John Sinclair, und sie werden alles tun, um ihnen nachzueifern. Durch den Kontakt mit ihnen sind sie in meinen Dunstkreis geraten, und wer sich einmal darin befindet, den lasse ich freiwillig nicht mehr heraus. Hast du sie nicht flüstern gehört, Sinclair? Es waren die Geister der längst Verstorbenen, denn sie halten sich immer in der Nähe ihrer Nachkömmlinge auf, um diese zu beschützen.«
Da hatte der Satan recht. Wer sich einmal in seinem Dunstkreis befand, den ließ er so leicht nicht los. Und auch mich hatte er, denn ich konnte mir vorstellen, daß er dieses Haus zu einer teuflischen Rattenfalle umfunktioniert hatte.
Dies bekam ich auch sehr bald bestätigt. »Das Haus, Geisterjäger, in dem du dich befindest, gehört mir. Es strömt meinen Geist aus, meinen Atem, und ich werde dafür sorgen, daß derjenige, der es betritt und den ich nicht eingeladen habe, es nur als Toter verläßt. Hast du gehört, Sinclair? Nur als Toter. Die Briefe aus der Hölle haben ihren Zweck erfüllt. Ich habe neue Diener und werde meinen Erzfeind los!«
»Gut, Asmodis«, sprach ich mit lauter Stimme. »Ich werde nichts unternehmen, noch nichts. Aber du kannst mir auch einen Gefallen tun. Gib Sheila Conolly frei!«
Selten hatte ich den Teufel so lachen hören, denn ich erschrak und wollte mir schon die Ohren zuhalten. »Ich soll sie freigeben? Hast du nicht verstanden? Wer sich im Dunstkreis der Hölle befindet, den lasse ich nicht los. Egal, wer es ist. Ich habe einmal bei dir eine Ausnahme gemacht. Es geschah aus taktischen Gründen, das wird nicht mehr vorkommen. Sie gehört zu mir!«
Nur gut, daß Bill Conolly die Worte nicht mitbekommen hatte. Er wäre womöglich durchgedreht. Er und vor allem Suko waren meine versteckten Trümpfe, die ich in den Händen hielt. Die beiden konnten mir die nötige Rückendeckung geben, wenn sie rechtzeitig genug eintrafen.
Kampflos würde der Satan Sheila Conolly nicht freigeben. Zudem wollte sie nicht. Sie war völlig durchgedreht, die Stimme ihres Vaters hatte sie verrückt gemacht, so daß sie alles vergaß, auch ihre Familie.
Ich holte ein paarmal tief Luft. Der Teufel selbst hatte sich noch immer nicht gezeigt, aber er wohnte in diesem Haus. Die Innenwände strahlten seine Düsternis aus, sein Atem und sein Flair waren überall zu spüren, und auch das fahle Leuchten meines Kreuzes hatte noch nicht nachgelassen.
»Und noch etwas, John Sinclair!« vernahm ich wieder Asmodis' Stimme. »Du hast deine Gegner kennengelernt, denn ich stellte sie dir vor. Aber einen Feind, Sinclair, habe ich noch vergessen. Ich werde ihn dir jetzt nennen. Es ist das Haus. Diese alte Bücherei wird zu deinem schlimmsten Feind werden, denn ich habe sie erobert. Mein Geist lauert und lebt in diesen Mauern, so daß ich sie manipulieren kann. Wenn du nun gegen meine Freunde kämpfst, wirst du die tollsten Überraschungen erleben, das verspreche ich dir im Namen der Hölle.«
Fünf Gegner reichten also nicht. Ich hatte auch noch gegen das Haus zu kämpfen, und das konnte verdammt ins Auge gehen. Vielleicht war diese alte Bücherei sogar eine Todesfalle für mich.
Natürlich dachte ich daran, das Kreuz zu aktivieren. Ich hätte damit möglicherweise einiges zerstören können, vielleicht aber auch einiges zuviel.
Damit meinte ich Sheila.
Noch immer dachte ich nicht daran, sie dem Teufel zu überlassen. Ich suchte nach einer Chance, sie dem Höllenfürsten wieder zu entreißen. Asmodis selbst griff mich nicht an, denn dann hätte er erst das Kreuz überwinden müssen, was ihm wohl kaum gelungen wäre.
Ich wartete darauf, daß er noch etwas sagte. Asmodis dachte nicht daran, er verhielt sich still, dafür geschah etwas anderes.
Das seltsam graue Licht verschwand.
Diesmal sofort und ohne Zögern.
Dunkelheit!
Ich fühlte wieder das Kribbeln auf meinem Rücken und merkte auch den Druck im Magen.
Die Gefahr war da, sie lauerte.
Und dann vernahm ich das Klirren der Kette…
***
Als Suko und Shao vor der Haustür standen und ihrem Freund Bill Conolly ansahen, bekamen sie beide einen Schreck. Ohne sich abgesprochen zu haben, teilten sie die gleichen Gedanken.
Bill sah aus wie ein Toter.
Doch er war ein lebender Toter, so bleich, so blaß, mit dunklen Ringen unter den Augen und einer geschwollenen Stirnseite. Ein paarmal schluckte er, knetete die Hände und sagte schließlich
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