Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
029 - Der Unheimliche

029 - Der Unheimliche

Titel: 029 - Der Unheimliche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edgar Wallace
Vom Netzwerk:
die Wahrheit gesagt - er suchte nur eine Gelegenheit, um mit dem Mann abzurechnen, den er mit ungewöhnlicher Heftigkeit haßte, und schon am Nachmittag desselben Tages nahm er die Gelegenheit dazu wahr.

24
    »Sie sind also entschlossen, am Sonnabend zu gehen, Miss Marlowe?«
    »Jawohl, Major Amery.«
    Amery stand am Fenster und schaute auf die Straße.
    »Es wird schwer sein, Sie zu ersetzen«, murmelte er. »Können Sie Ihre Abneigung, für mich zu arbeiten, nicht noch eine Woche überwinden?«
    Elsa zögerte und war am Verzweifeln. Wenn er ihr befehlen würde, zu bleiben, hätte sie nicht den Mut, sich zu widersetzen.
    »Es tut mir leid, Major Amery, aber ich kann nicht länger bleiben als bis Sonnabend.«
    Sie war nicht darauf gefaßt gewesen, daß er sie zum Bleiben aufforderte. Da sie Jessie Tame zugetan war, wagte Elsa, Amery vorzuschlagen, daß diese ihre Stelle einnehmen möge. Der Posten war sehr begehrt und das Gehalt doppelt so hoch wie das der tüchtigsten Stenotypistin der Firma.
    »Sie kann keine Orthographie!« war die lakonische Antwort, und irgendwie freute sich Elsa über die Ablehnung.
    Da sie Amerys Hartnäckigkeit kannte, erwartete sie, daß er im Laufe des Tages seine Bitte wiederholen würde, doch darin täuschte sie sich. Um halb fünf brachte der Bürodiener zwei Tabletts mit Tee, von denen sie eins wie gewöhnlich in Amerys Zimmer trug. Sie stellte es auf den Schreibtisch, er nickte dankend und hob den Deckel des Kännchens, um prüfend den Duft des Tees zu riechen - eine Gewohnheit, die sie schon oft belächelte hatte. Diesmal schaute er auf, bevor das Lächeln von ihrem Gesicht verschwunden war.
    »Das amüsiert Sie wohl? Ich will Ihnen etwas zeigen, was Sie noch mehr belustigen wird.«
    Amery zog aus seiner Tasche ein flaches Kästchen, dem er einen schmalen blaßblauen Streifen entnahm und in die Milch tauchte. Als er den Streifen wieder herauszog, war er rot.
    »Warten Sie!« Er goß den Tee in die Tasse und nahm diesmal einen rosafarbenen Papierstreifen, den er einen Augenblick im Tee ließ. Das Papier hatte sich hellgelb verfärbt. »Eine sehr einfache und zuverlässige Probe. Arsenik färbt das Papier in der Milch grün und im Tee purpur. Strychnin färbt es in beiden Fällen schwarz, genauso wie Akonit. Zyankali bleicht blaues Papier ganz weiß, und rosa Papier wird dunkelrot.«
    Elsa war fassungslos. »Sie - Sie haben eine Giftprobe gemacht?«
    »Etwas Ähnliches war es«, erwiderte er und tat Milch und Zucker in seinen Tee.
    »Wie soll Gift hierher kommen?« fragte sie skeptisch.
    »Warum denn nicht? Ich habe viele Feinde, und mindestens einer von ihnen ist Arzt.«
    Zu jeder anderen Zeit hätte Elsa die Andeutung auf Hallam zurückgewiesen, doch jetzt, da sie das Verhältnis dieser beiden Männer zueinander und Ralfs schreckliches Geschäft kannte, schwieg sie.
    Nach dem Tee kamen einige Briefe und ein Paket für Amery an. Der Major war ausgegangen, und sie legte die Post auf seinen Schreibtisch. Das Paket war durch einen Boten zugestellt worden und war an ›Major Amery, D. S. O.‹ adressiert - bisher hatte Elsa keine Ahnung davon gehabt, daß er den ›Orden für ausgezeichneten Dienst‹ besaß. Sie erfuhr dauernd neue Dinge über ihn.
    Gedankenlos nahm sie eine Schere und zerschnitt den Bindfaden des Pakets. Sie hatte das immer für den früheren Chef getan, und erst als sie Amerys wütende Stimme hörte, fiel ihr ein, daß er es nicht wünschte.
    Amery stand in der Tür, die auf den Gang führte.
    »Was, zum Teufel, tun Sie da?« schrie er.
    Elsa wich vor seinen funkelnden Augen zurück. Sein Aussehen war so drohend, sein Gesichtsausdruck so wild und seine Stimme so streng, daß sie erschrak.
    »Ich hatte Ihnen befohlen, meine Pakete nicht zu öffnen!« Er blitzte sie an und nahm ihr das Päckchen vorsichtig aus der Hand. Dann lüftete er behutsam den Deckel.
    In einem Nest weißer Watte lag etwas Rundes, in Seidenpapier eingewickelt. Er berührte es nicht, sondern nahm die Papierschere und schnitt ein großes Loch in die Umhüllung.
    »Mögen Sie Äpfel?« Seine Stimme klang ganz freundlich.
    Es war ein sehr kleiner Apfel, und er war rundum mit spitzen Stahlnadeln gespickt.
    »Ich möchte darauf schwören, daß das ein medizinisches Präparat ist! Er hat hundert Nadeln dazu verwandt, und jede Spitze birgt den Tod in sich. Ein erfinderischer Kerl!« sagte er anerkennend.

25
    »Ganz geschickt!« Amery berührte mit der Schere das Präparat. »Nicht so schwer wie eine Bombe

Weitere Kostenlose Bücher