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029 - Der Unheimliche

029 - Der Unheimliche

Titel: 029 - Der Unheimliche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edgar Wallace
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Liebe!«
    Sie schaute auf die Kiste an der Wand.
    »Warum lassen Sie diese alte Kiste nicht in meine Rumpelkammer stellen?« schlug sie vor. »Sie nimmt doch viel Platz weg und kann ohne alle Mühe dort untergebracht werden.«
    »Ich glaube, sie kann ruhig hier bleiben, bis ich fortgehe!« wehrte Elsa ab. Die weitere Unterhaltung bestand mehr aus Pausen als aus Reden, denn Elsa wollte wieder ihrer Oper zuhören, und Mrs. Hallam hatte die Absicht, sich umzukleiden.
    Endlich hatte sie einen Vorwand, Elsa zu verlassen, denn das Telefon läutete im Eßzimmer. Es war Ralf.
    »Behalte die Straße etwas im Auge«, rief er. »Wenn du merken solltest, daß jemand das Haus beobachtet, laß es mich wissen!«
    »Befürchtest du das?« fragte sie gespannt, wurde aber grob angefahren.
    Als Elsa sich wieder ihrem Radio widmen konnte, kamen der Wetterbericht, die letzten Tagesnachrichten und ähnliches. Endlich sagte der Sprecher:
    »In wenigen Minuten folgt die Übertragung des letzten Aktes der Oper ›Faust‹ aus dem Opernhaus.«
    Elsa lehnte sich in ihrem Sessel zurück und versuchte, sich zu konzentrieren. Aber ihre Gedanken waren woanders. Der Unheimliche hatte etwas Fesselndes an sich und beherrschte ihr Denken. Er war ihr immer noch ein Rätsel, sie fühlte, daß er ein guter Mensch sein mußte, trotz seiner manchmal irritierenden Eigenschaften. Sie versuchte, ihn zu beurteilen, war sich aber nicht sicher, ob sie ihn gern hatte. Aus all ihren Überlegungen riß sie der Beifall, der der Eröffnungsarie folgte.
    Die Übertragung war ausgezeichnet. Sie hätte die Musik nicht besser hören können, wenn sie in einer Loge in der Nähe der Bühne gesessen hätte. Jeder Ton, jede Modulierung kam klar heraus.
    Plötzlich brach die Musik jäh ab und ein Stimmengewirr drang aus dem Lautsprecher. Jemand rief:
    »Fort - gehen Sie von der Bühne!« Dann hörte sie eine donnernde Stimme:
    »Elsa!« Sie fuhr erschrocken auf. Es war die Stimme Major Amerys. »Elsa, verschließen Sie Ihre Tür und verbarrikadieren Sie sich! Lassen Sie niemand herein. Beeilen Sie sich, Sie sind in Lebensgefahr!«

44
    Major Amery saß im Hintergrund seiner Loge und lauschte, aber nicht auf die wunderbaren Melodien der Oper. Die Loge neben ihm war leer. Zweimal hatte er das kleine Kästchen geöffnet, etwas herausgenommen, das einem Stethoskop ähnlich sah, und das Ende mit der Platte an die Wand gelegt. In der Nebenloge war es still, bis der Vorhang zum letzten Akt von ›Faust‹ in die Höhe ging. Dann hörte er das Rücken von Stühlen. Zwei Männer hatten die Loge betreten, und nach dem Schall der Stimmen zu urteilen, saßen auch sie im Hintergrund. Er legte den Empfänger an die Wand und horchte. Die Stimmen erkannte er sofort.
    » . . . sie ist die beste Karte, die wir haben. Ich glaube, wir können hier mit einer ganz großen Sache durchkommen . . .«
    Die zweite Stimme murmelte etwas, und dann verstand Amery:
    ». . . daran hatte ich gedacht. Wir können zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen. Das Zeug ist doch bestimmt in der Kiste. Der Alte hat es am Abend vor seinem Tod fortgeschafft und in sein Haus in Elgin Crescent gebracht. Es sind lauter Amerikaner und leicht umzuwechseln, aber ich muß das Mädchen auch haben. Ich habe Vorkehrungen getroffen - elf Uhr - fünf Minuten vor elf - ich bin gewohnt, genau nach der Uhr zu arbeiten.«
    Es wurde still. In demselben Augenblick zog Amery unvorsichtigerweise an dem dünnen Draht, der das Mikrophon mit der kleinen Batterie im schwarzen Kästchen verband, und der Draht zerriß. Sofort entfernten seine gewandten Finger die Seidenumwicklung an den zerrissenen Enden und stellten die Verbindung wieder her. Als er aber den Empfänger aufs neue an die Wand legte, blieb alles ruhig. Er dachte, daß die Batterie nicht in Ordnung sei, daher entfernte er die Hörer, ging auf den Gang hinaus und öffnete behutsam die Tür der Nebenloge. Sie war leer!
    »Fünf Minuten vor elf!«
    Und sie arbeiteten genau nach der Uhr! Er schaute auf seine Uhr und erschrak. Es stimmte ganz genau.
    Nur einen Augenblick zögerte er. Margarete stand in der Mitte der Bühne und bezauberte die Zuhörer, aber Amery sah weder die Sängerin noch hörte er ihre Stimme. Seine Sinne weilten irgendwo in London bei einem wehrlosen Mädchen, das am Radio lauschte. Im nächsten Augenblick sprang er aus seiner Loge auf die Bühne.
    Im Haus entstand sofort ein großer Tumult. Margarete flüchtete entsetzt in den Hintergrund, wütende Stimmen riefen

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