0290 - Koordinaten ins Jenseits
werden ihre Absicht verwirklichen."
„Unsinn! Eine Rasse begeht keinen Selbstmord, wenn kein zwingender Grund vorliegt. Kehren Sie in Ihre Zelle zurück. Ich muß überlegen."
„Sprechen Sie mit den Meistern", riet Redhorse, ehe er sich umdrehte und seinen Wärtern folgte. Er war froh, für heute dem zweiten Verhör entgangen zu sein. In seiner Zelle angekommen und eingeschlossen, verständigte er seine Mitgefangenen: „Gucky hat Miharos ein Ultimatum gestellt. In fünf Stunden sind wir frei, oder es wird etwas passieren. Ich glaube, die Wartezeit hat endlich ein Ende."
*
Es waren etwa fünftausend Sonneningenieure, die in der großen Versammlungshalle ihr entscheidendes Treffen abhielten. Schi versuchte, es Gucky zu erklären.
„Natürlich handelt niemand von uns so, wie er es allein für richtig hält. Die Beschlüsse der Gemeinschaft sind richtungweisend. Aber nicht alle halten sie für richtig und weise. Ich möchte die hier versammelten Freunde nicht gerade als Rebellen bezeichnen, aber sie wollen versuchen, den Heimgang zu den Großen Müttern zu beschleunigen. Sie halten es für falsch, zu lange damit zu warten, außerdem sind sie aus rein physikalischen Erwägungen heraus dagegen, den Heimgang allgemein und auf einmal zu vollziehen."
Gucky, der wieder in seiner Schattennische hockte und von Schi verdeckt wurde, versuchte krampfhaft, die verwirrende Gedankenfülle der auf und abwogenden Sonneningenieure zu ordnen. Es gelang ihm noch nicht, außerdem mußte er sich auf Schis Signalimpulse konzentrieren.
„Warum können sie denn nicht warten? Ich habe den Tefrodern ein Ultimatum gestellt. Es läuft in vier Stunden ab. Wenn einige von euch übereilt handeln, kann mein ganzer Plan mißlingen. Der Centerkommandant sieht dann zwar, daß meine Ankündigung ernst gemeint war, aber er sieht es zu früh!"
„Wenn diese fünftausend Techniker ihren Entschluß einmal gefaßt haben, werden sie Ihn Chron mitteilen und handeln.
Niemand kann sie mehr daran hindern, denn der Heimgang ist eine beschlossene Sache. Nur der Termin war noch ungewiß."
Gucky entsann sich einer anderen Bemerkung Schis.
„Was ist das mit den physikalischen Erwägungen?"
Schi signalisierte nun erregter.
„Niemand im Kosmos kennt die Mütter besser als wir. Wir sind die einzigen, die ihre Energie zu bändigen verstehen. Nur wir können sie in die richtigen Bahnen lenken und verstehen es, sie für unsere Zwecke auszunützen. Nur wir wissen, wie empfindlich die Mütter sein können - jene Mütter, die ihr ‚Sterne‘ nennt.
Ihre Umwandlung geht relativ langsam und ganz nach bestimmten physikalischen Gesetzen vor sich. Wenn dieser Prozeß durch unvorhergesehene Ereignisse durcheinander gerät, besteht die Gefahr, daß die Mütter ungehalten werden. Es kann passieren, daß sie nicht in Jahrmillionen zu Energie werden, sondern in wenigen Tagen oder gar Stunden. Du verstehst wie ich das meine ...?"
Gucky blieb lange stumm. Er schirmte sich gegen alle Impulse ab und versuchte, Schis Andeutungen in die nüchterne Sprache der Wissenschaft zu übersetzen. Demnach meinte Schi also, daß der Energiehaushalt der drei blauen Riesensonnen aus dem Gleichgewicht geraten könnte, wenn die Sonneningenieure ihren wahnsinnigen Plan verwirklichten.
Somit war eine Katastrophe nicht ausgeschlossen, wenn sie sich alle zugleich in ihre Sonnen stürzten. So betrachtet, waren die fünftausend hier in der Halle versammelten Sonnentechniker wesentlich vernünftiger als Chron und die anderen, die einen Simultanselbstmord vorzogen.
Er signalisierte zu Schi: „Ich glaube, ich weiß jetzt, was du meinst. Du wirst sogar recht haben. Trotzdem wäre es besser, sie würden warten, bis Miharos geantwortet hat. Wenn er sich weigert, die Gefangenen freizugeben, kann eine Warnung nicht schaden, wenn mir auch noch immer nicht wohl bei dem Gedanken ist, daß sie sich in die Sonne stürzen wollen."
„Es wäre gut, wenn du endlich anders darüber denken würdest.
Das In-die-Sonne-Stürzen ist kein Tod! Es ist eine Erfüllung! Es ist die Erfüllung eines Traumes, den wir seit Anbeginn aller Zeiten geträumt haben. Zugleich ist es unsere Bestimmung. Nenne es eine Metamorphose, wenn du meinst. Und du mußt doch zugeben, daß eine Metamorphose niemals das Ende bedeutet. Wir nehmen eine andere Existenzform an, das ist alles."
Gucky wußte das alles. Er hatte versucht, es zu verstehen, aber das konnte nichts an der Tatsache ändern, daß er die beabsichtigte
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