0293 - Im Netz des Vampirs
an die Grenzen der persönlichen Machbarkeit gestoßen waren. Wenn kein Wunder geschah, und es mußte schon ein großes Wunder sein, waren sie rettungslos verloren.
Wenn nur das Amulett funktioniert hätte… ! Aber das streikte mal wieder auf unbestimmte Zeit, ließ sie einfach im Stich. Seit sie auf dieser Fremdwelt angekommen waren, hing es tot vor Zamorras Brust, und obwohl der Professor mehrfach versucht hatte, es zu reaktivieren, waren bislang alle Versuche fehlgeschlagen. Fast schien es, als habe Merlins Stern endgültig seinen Dienst aufgekündigt…
»Wir müssen einen Weg in die oberen Regionen des Berges finden«, kam Zamorra zum Wesentlichen zurück. »Und zwar schnellstens. Ferrier ist nach oben verschwunden. Wenn wir ihn finden wollen, müssen auch wir hinauf.«
»Aber wie?« stellte Nicole die Gegenfrage und breitete demonstrativ die Arme aus. »Sieh dich doch um. Es scheint, als sei dies alles. Außer dem Schacht zurück in die Vorhöhle führt hier kein Weg in einen anderen Raum, geschweige denn nach oben…«
Sie hattè recht. Dem puren Augenschein nach hatte sie recht. Aber Zamorra wollte sich nicht damit abfinden.
»Es muß einen Weg geben«, beharrte er. »Das kann unmöglich alles sein. Wahrscheinlich ist er getarnt. Wir müssen suchen.«
Niemand erhob Einspruch. Muriel hielt sich etwas abseits, während die anderen die Wände abklopften und nach verborgenen Mechanismen forschten. Die Tochter des Bürgermeisters irrte wie eine Schlafwandlerin in der Mitte der Höhle herum.
Die anderen wurden erst wieder auf sie aufmerksam, als ihr markerschütternder Schrei von den Wänden widerhallte und ihnen das Blut in den Adern gefrieren ließ!
***
Die Überraschung war perfekt.
Teri Rheken taumelte aus dem Nichts heraus in sonnendurchwobenes, farbenfrohes Idyll und konnte nicht begreifen, was passiert war. Zunächst vermutete sie ein Trugbild, einen Schwindel, initiiert, um sie zu einer Unvorsichtigkeit zu verleiten.
Doch ihre Para-Sinne sagten etwas anderes. Die behaupteten, das Paradies sei echt!
Teri blinzelte einige Male, ehe sie sich mit der abrupten Lichtfülle abgefunden hatte. Der Kontrast zur vorherigen pechschwarzen Nacht war einfach zu kraß. Doch sooft sie die Augen auch zusammenkniff und wieder öffnete - das Bild blieb das gleiche.
Der zeitlose Sprung hatte sie an den Rand eines kleinen, von Pflanzen umgebenen Sees befördert, dessen träge ruhendes Wasser rötlich im Schein der am Himmel stehenden Sonnenscheibe schimmerte. Die Sonne selbst war von karmesinroter Farbe und wirkte seltsam aufgebläht, war doppelt so groß wie das irdische Muttergestirn. Dadurch strahlte sie gleichzeitig eine diffuse Drohung aus, die wahrscheinlich aber nur von Menschen empfunden wurde, die andere Bedingungen gewohnt waren. Ein Eingeborener mochte da ganz anderer Meinung sein.
Teris Blick kehrte zurück zum See.
Sie stand einen Steinwurf davon entfernt. Zu ihren Füßen wuchs dunkelgrünes, farnähnliches Kraut anstelle von Gras. Eine Art Allee führte zum Wasser hin und wurde von höherem Strauchwerk gesäumt, in dessen Ästen kleine, flinke Pelztierchen hin und her hüpften und quiekende Laute ausstießen. Teris Erscheinen schien sie in helle Aufregung versetzt zu haben. Sie sahen nicht gefährlich aus, eher das Gegenteil. Die irdische Plüschtier-Industrie hätte sie sicherlich auf Anhieb zum Vorbild für die nächste Weihnachts-Creation genommen. Als die Silbermond-Druidin einen Schritt nach vorn machte, wichen sie noch tiefer ins Gestrüpp der Sträucher zurück. Ihre Scheu ließ Teri schmunzeln.
Sie schritt die »Allee« entlang auf das Wasser zu und ließ ihre Blicke in alle Himmelsrichtungen schweifen.
Der Ort sah aus wie eine Oase. Seine Grenzen waren nicht abzusehen, aber überall herrschte eine geradezu verschwenderische Vielfalt an Leben. Teri wurde auf ihrem kurzen Weg mit den eigentümlichsten Kleinstgeschöpfen konfrontiert. Rundum krabbelte und zirpte es in den höchsten Tönen. Und alles war friedlich. Kein Schatten der Angst oder des Bösen schien zu existieren. Teri vermißte sogar das allzu irdische Gesetz des Fressens und Gefressenwerdens… Nirgendwo war zu sehen, daß sich eine Tierart auf Kosten der anderen am Leben erhielt. Waren alle Pflanzenfresser? Galt hier die Darwinsche Theorie keinen roten Heller?
Die Silbermond-Druidin war irritiert. Obwohl sie es von der Ursprungswelt der Silbermond-Druiden im vernichteten Wunderwelten-System nicht anders in Erinnerung hatte.
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