0294 - Die Nacht der bestellten Morde
eilfertig Feuer reichte, verlangte schließlich noch einen Whisky, den ich ihr einschenkte, und meinte dann: »Jetzt entsinne ich mich. Bondoza sagte .Millers Steak House.«
Mit einem Seufzer der Erleichterung zog ich mein Notizbuch hervor und notierte den Namen. »Sie sprachen von drei Besuchern, Miß Flint. Wann kam der erste?«
»Das muß gegen Mittag gewesen sein.«
»Sie sahen ihn?« '
»Ja. Er klopfte hier an meine Tür und fragte, in welchem Zimmer Mr. Bondoza wohne.«
»Sehr schön. Und jetzt beschreiben Sie mir bitte den Besucher!«
Die Alte dachte wieder einen Augenblick nach. »Der Mann war ungefähr 40, einen halben Kopf größer als ich und von hagerer, knochiger Gestalt. Er hatte unnatürlich große Hände mit dicken, knotigen Fingern. Die Handrücken waren schwarz behaart. Mir fiel das auf, weil er ständig die Hände gegeneinanderrieb. Er trug einen dunklen Wintermantel und einen schwarzen, breitrandigen Hut.«
»Keine Handschuhe?«
»Keine Handschuhe.«
»Sein Gesicht?«
»Sehr auffällig, Mr. Cotton. Wirklich ein sehr auffälliges Gesicht. Er hatte ein langes, tief eingekerbtes Kinn und blaue Schatten um die Wangen. Seine Gesichtsfarbe war grauweiß — so, wie der Bauch einer Kröte gefärbt ist. Die Nase war groß und vorspringend wie die Schneide einer Axt. Die Augen waren grau oder blau und standen sehr weit auseinander. Als er den Hut abnahm, sah ich, daß er dichtes schwarzes Haar hatte mit einigen grauen Stellen an den Schläfen. Seine Stimme klang rauh. Er sprach sehr leise.«
»Das haben Sie ausgezeichnet beobachtet, Miß Flint. Sagte der Mann noch etwas Besonderes, oder hat er sich nur nach dem Zimmer erkundigt?«
»Er wollte nur wissen, in welchem Zimmer Mr. Bondoza wohnt. Er ging dann den Flur entlang bis zur vierten Tür links. Ich zog meine Tür zu und kümmerte mich nicht weiter darum. Aber ich hörte ihn nach etwa 30 Minuten Weggehen.«
»Er kam nicht zurück?«
»Nein. Aber als ich so gegen zwei über den Flur ging, sah ich einen Mann die Treppe heraufkommen. Er blieb vor mir stehen, zog nicht einmal seinen Hut, sondern knurrte mich nur an. Er sprach so undeutlich, daß ich anfangs gar nicht verstand, was er wollte. Dann verstand ich den Namen Bondoza, deutete auf die Tür zu dessen Zimmer und ging weg.«
»Sie können mir sicherlich auch diesen Besucher beschreiben?«
Claudia Flint stand auf und holte aus einem Schrank im Hintergrund des Zimmers eine Dose mit Keksen. Der Inhalt des Flakons war inzwischen zur Neige gegangen. Aber die Alte fischte eine Flasche Scotch aus dem Schreibtisch, ließ sich wiederum von mir einschenken, ohne mir ein Glas anzubieten, begann an den Keksen zu knabbern und ließ sich Zeit mit der Antwort. Nach drei Stück Mandelgebäck entsann sie sich meiner Frage und meinte: »Ich habe den Burschen nur flüchtig gesehen. Er war mittelgroß, liederlich gekleidet, hatte ein gewöhnliches rotes Gesicht, abstehende Ohren, roch nach billigem Schnaps und schnaufte vom Treppensteigen.«
»Er ist noch nie hier gewesen?«
»Noch nie.«
»Wie lange blieb er?«
»Etwa eine halbe Stunde. Nicht länger. Kurz darauf erhielt Mr. Bondoza zum drittenmal Besuch.«
»Haben Sie auch diesen Besucher gesehen?«
Die Alte nickte. »Ich hielt mich gerade auf dem Flur auf.«
»Wie sah der Mann aus?«
»Es war kein Mann.«
»Also eine Frau.«
»Ein junges Mädchen. Vielleicht 20.«
»Wie sah das Girl aus?«
»Sie war sehr hübsch, obwohl ich glaube, daß man zu meiner Zeit nicht so viel…«
»Hübsch ist etwas zu allgemein, Miß Flint. Können Sie mir das Mädchen nicht etwas deutlicher beschreiben?«
Die Alte gab sichtlich nur ungern zu, daß die Besucherin eine außergewöhnliche Schönheit gewesen war. »Mittelgroß, schlank. Sie bewegte sich wie ein Mannequin.«
»Wie war das Girl gekleidet?«
»Sie trug einen Pelzmantel aus Tigerfell und darunter grüne Hosen, die in Pelzstiefeln endeten.«
»Also eine recht kostspielige Aufmachung?«
»Ja, das könnte man sagen. Am Arm trug das Girl eine Tasche aus Schlangenleder. Auf dem Kopf hatte sie eine Pelzkappe aus dem gleichen Material wie der Mantel.«
»Haarfarbe?«
»Rotbraun.«
»Haben Sie das Gesicht sehen können?«
»Ja. Sie hatte sehr helle, ich glaube, grüne Augen, einen bronzef arbenen Teint mit einem Hauch Pfirsichblüte, schmale Nase, volle Lippen und ein daumennagelgroßes, sternförmiges Muttermal auf der rechten Wange.«
»Wie lange blieb die Besucherin?«
»Ungefähr eine halbe
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