0296a - Lösegeld für blonde Locken
blieben stehen Wir horchten. Doch wir hörten nur das Klatschen der Wellen. Jedes Leben schien auch auf den Booten ausgestorben.
Ich ging in die Hocke und drehte den Kopf nach allen Seiten. Nur Lagerschuppen und die Takelage der Schiffe hoben sich gegen die tiefhängende Wolkendecke ab. Die Wolken mußten sich in den späten Abendstunden zusammengezogen haben. Heute abend hatte es sich nicht abgekühlt. Die Luft war schwül und feucht wie in einem Treibhaus. Ich wischte mir mit dem Handrücken den Schweiß von der Stirn.
Als ich wieder hochkam, sah ich, daß Phil seinen obersten Kragenknopf löste.
Ich dachte das gleiche wie Phil. Die Gangster hatten uns in diese verlassene Gegend gelockt, um uns in aller Seelenruhe den Koffer abzunehmen. Die Angabe des gelbgestrichenen Ruderbootes hielt ich für glatten Bluff. Aber noch hatte ich mich nicht überzeugt.
»Das Boot soll fast am Ende des Kais liegen«, flüsterte ich Phil zu. Wir machten uns auf die Strümpfe, gingen an Segelyachten vorbei, die vor Anker lagen. Alle Luken waren dicht, ein Zeichen, daß die Besitzer nicht auf ihren Yachten waren.
Ich wechselte den Koffer in die linke Hand, und fuhr mit der rechten in den Jackenausschnitt, um die 38er Smith und Wesson zu lockern. Der Schweiß lief mir in Bächen den Rücken herunter.
Phil wechselte an meine linke Seite. Mein Freund hielt die rechte Hand in der Jackentasche. Offenbar hatte er sich zusätzlich einen Browning eingesteckt.
Ich drehte mich alle fünf Schritte um, um festzustellen, ob uns jemand verfolgte.
Wir waren allein auf dem Kai.
Langsam hatten sich unsere Augen an die Dunkelheit gewöhnt. Ich flüsterte Phil zu:
»Bleib hier stehen. Ich gehe bis zu dem Rand des Hafenbeckens. Das Wasser steht ziemlich hoch. Man müßte den Kahn gut erkennen können.«
Phil nickte.
Ich machte die zehn Schritte bis zum Rand und sah auf das Wasser. Unter mir ein schlurfendes Geräusch. Die Wellen schlugen einen schmalen Kahn gegen die Mauer. Ich starrte hinunter. Deutlich war der gelbe Anstrich zu erkennen.
Ich sah auf die Uhr. Es war wenige Sekunden vor halb zehn. Den Koffer stellte ich zwischen meine Füße. Dann drehte ich mich um und winkte Phil. Mein Freund kam mit schnellen Schritten.
»Da unten liegt das Boot. Aber sonst ist keiner zu sehen«, flüsterte ich.
Phil zückte eine Taschenlampe, knipste sie an und leuchtete aufs Wasser. Der Kahn war mit einem dünnen Band an einem Stahlring des Kais festgebunden. Bei stärkerem Wellengang hätte sich dieses bessere Rettungsboot längst losgerissen und wäre abgetrieben.
Ich versuchte mein Gehirn auf die Geschwindigkeit eines Elektronenrechners zu bringen. Was geschah, wenn ich das Geld in den Kahn warf? Wo hielten sich die Burschen versteckt? Phil schien an den gleichen Fragen zu knabbern.
Die Entfernung zwischen uns und dem Boot betrug keine sechs Yard. Der Koffer war stabil gebaut und würde nicht aufplatzen, selbst wenn ich ihn hinunterwarf.
Ich packte ihn und zerrte ihn bis an den Rand.
»Was hast du vor?« fragte mein Freund.
»Am liebsten würde ich versuchsweise einen Stein in den Kahn purzeln lassen, um zu warten, was sich abspielt. Aber erstens habe ich keinen Stein von dem Gewicht des Koffers und zweitens darf ich kein Risiko eingehen.«
, »Du willst den Koffer mit den zweihunderttausend tatsächlich…« murmelte Phil.
»Uns bleibt keine andere Wahl.« Ich sah auf meine Armbanduhr. »Es ist genau halb zehn. Scher du dich nach hinten, damit wir nicht überrascht werden.«
(Dabei hatten die Burschen uns längst im Visier und beobachteten jede unserer Bewegungen, wie wir nachher erfuhren.)
Ich hob den Koffer an, reckte mich so weit hifiaus, wie gs ging, und ließ den Koffer fallen. Er schlug mit einem dumpfen Krach auf den Holzplanken auf. Das Boot schaukelte leicht hin und her.
Phil knipste die Taschenlampe an und richtete den Lichtkegel auf das Boot.
Der Koffer hatte gehalten. Als Phil mir den Kopf zudrehte, um mir etwas zu sagen, sah ich auf einer Yacht, die etwa dreißig Meter vom Kai entfernt lag, zwei Funken aufblitzen. Ich schleuderte meinen Freund mit einem Schlag gegen die Brust nach hinten und warf mich selbst auf die Seite. Die beiden Kugeln pfiffen über uns weg und schlugen klatschend auf den Betonboden.
Inzwischen hatte auch Phil die Gefahr erkannt. Er robbte blitzschnell einige Yard nach rechts und hockte sich hinter einen zwei Fuß hohen Betonklotz. Ich blieb unbeweglich liegen und horchte. Auf der Yacht wurde ein Motor
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