0299 - Der Schatten kommt auf leisen Sohlen
versuche schon die ganze Zeit, mich an den Namen des Giftes zu erinnern. Es ist ein so seltenes Gift, wissen Sie —«
»Augenblick mal, Doc«, unterbrach ihn eine entschlossene Männerstimme. »Wo sollen wir denn nun hinkommen?« Waste nannte die genaue Lage der Wohnung.
»Bleiben Sie dort!« befahl der Mann am anderen Ende der Leitung. »Wir kommen schnellstens.«
»Ja. Natürlich.«
»Und wenn Sie noch nichts angefaßt haben, dann lassen Sie es auch bleiben. Auf ein paar Minuten kommt es jetzt wohl auch nicht mehr an.«
Waste nickte und legte nachdenklich den Hörer zurück auf die Gabel. Dabei wurde er sich der Tatsache bewußt, daß er nun doch etwas angefaßt hatte, nämlich das Telefon. Er durfte nicht vergessen, es gleich nachher der Polizei zu sagen. Der Teufel mochte wissen, was für eine Mordkommission alles wichtig sein konnte.
Wie war das doch mit diesem Gift. Der charakteristische Geruch hatte ihn sofort an das Zeug erinnert, das sie als Studenten gebrauchen mußten, wenn sie Leichenteile präparierten, um sie vor der Auflösung zu bewahren. Es war ein sehr starkes Gift, das die Zersetzung hinausschob. Zum Teufel, wie hieß das Zeug doch?
Waste versuchte vergeblich, sich zu erinnern. Als die Mordkommission eintraf, war es ihm noch immer nicht eingefallen. Er unterhielt sich mit dem Leiter der Kommission und mit dem Polizeiarzt. Auch machte er auf die Anwesenheit von Katherin Jones aufmerksam, die noch immer in der Küche saß und gehorsam darauf wartete, daß sie von der Polizei gerufen wurde.
Kurz vor vier durfte sich Waste verabschieden, Als er gegangen war, sagte der Polizeiarzt:
»Offenbar ein sehr tüchtiger Kollege. Das mit dem Konservierungsmittel dürfte stimmen. Suchen Sie jetzt schon nach Leuten, die mit Konservierungsmitteln etwas zu tun haben, oder die leicht daran heran können. Daß das Zeug in den Pralinen ist, darf man wohl annehmen.«
»Schon möglich«, erwiderte der Detektiv-Lieutenant, der die Mordkommission leitete. »Aber wer, zum Teufel, sollte ein Motiv haben, so eine alte Frau mit einem raffiniert ausgeklügelten Mordplan zu überfallen? Daß kein Raubmord vorliegt, kann man sich doch an fünf Fingern abzählen. Ich habe noch keinen Raubmörder gesehen, der vergiftete Pralinen mit sich herumträgt.«
***
»Conrad Cerwonka«, wiederholte Phil nachdenklich, als wir in unserem Office saßen und uns die Karte des Mannes ansahen, der vielleicht Martin Delane vor dem Zuchthaustor erschossen hatte.
»Könnte tschechisch sein, der Name«, vermutete ich.
»Ja. Irgend etwas Slawisches«, stimmte Phil zu. »Aber wenn er auf den Orkneys geboren ist, müßte er ein Schotte sein.«
»Vielleicht waren seine Eltern Tschechen.«
»Wie finden wir Cerwonka?«
»Steht nichts auf der Karte?« fragte ich.
»Nichts außer: ›Hält sich häufig in New York auf‹.«
»Was hat der Kerl denn auf dem Kerbholz?«
»Zweimal wegen Beteiligung am Bandenverbrechen verurteilt. Vor knapp zwei Jahren entlassen. Seither lag nichts gegen ihn vor.«
»Tja, und wie fangen wir jetzt an? Wenn man nicht den geringsten Hinweis hat, läßt sich in New York ein Mann sehr schwer finden.«
»Ich schlage vor, wir schicken von der Funkleitstelle einen Rundspruch an alle Reviere der Stadtpolizei. Vielleicht hat einer von den Reviercops diesen Cerwonka irgendwo in der letzten Zeit gesehen. Vielleicht bringt uns das weiter.«
»Okay«, stimmte ich zu. »Viel mehr können wir im Augenblick sowieso nicht tun.«
Wir machten uns also auf zur Funkleitstelle und trugen unseren Wunsch vor. Es wurde in aller Kürze ein knapper Text für unseren Rundspruch aufgesetzt.
»Wenn etwas eingeht, schicke ich es euch ins Office!« versprach man uns in der Leitstelle.
Als wir im Lift standen, schlug Phil vor, in der Kantine eine kleine Pause einzulegen. Ich stimmte sofort zu.
Nach der kleinen Mahlzeit besprachen wir die drei Fälle, die uns dieser Tag beschert hatte.
Fall Nummer eins: die Ermordung von Martin Delane.
»Die Zeitungen werden bestimmt bringen, daß wir auch vor dem Tor waren, als die tödlichen Schüsse fielen«, murmelte Phil düster.
»Sicher! Aus einem Mordfall wird jetzt eine Prestigefrage für das FBI.«
»Immerhin haben wir schon den Namen des Mörders!« warf Phil ein.
»Vorsicht«, bremste ich. »Wir wissen, daß Cerwonka auf den Orkneys geboren ist, und wir wissen ferner, daß in der Nähe des Hubschrauberlandeplatzes ein Auto von einem Mann gekauft worden ist, der wahrscheinlich auch von den
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