0299 - Der Schatten kommt auf leisen Sohlen
alljährlich, neue Anwärter mit abgeschlossenem Hochschulstudium.
Als der Entschluß einmal gefaßt war, ging alles andere fast automatisch. Jackson passierte alle Tests und Untersuchungen, die Ärzte und Seelenmasseure mit ihm anstellten. Er bestand die wichtigste Prüfung, er kam zur FBI-Akademie und wurde wie jeder andere G-man auch dem üblichen Vorbereitungstraining unterworfen, bevor man ihn für ein halbes Jahr nach New York schickte, damit er die ersten praktischen Erfahrungen sammeln sollte, bevor er wieder zurück zur Akademie mußte, damit er dann den letzten Schliff bekam.
Und dieses erste halbe Jahr also hatte Peter in New York zu absolvieren. Um genau zu sein: es war sogar seine erste Woche im Außendienst. Er war der Überwachungsabteilung zugeteilt worden und hatte heute seinen ersten selbständigen Auftrag erhalten.
»Beobachten Sie einen Mann namens Stuck Canbridge«, war ihm gesagt worden. »Der Mann hat ein kleines Muttermal links am Kinn. Er ist ein Gangster, also seien Sie vorsichtig!«
»Okay«, hatte Jackson gesagt und war zusammen mit den Kollegen losmarschiert.
Ohne zu wissen, daß er seinen Auftrag indirekt Phil und mir verdankte, stellte er sich an einer geeigneten Stelle in der Nähe des Hauses auf, in dem Vera Crotts wohnte. Nach einiger Zeit sah er Phil und mich aus dem Hause kommen. Nach ungefähr zehn Minuten kamen auch drei Männer, von denen einer das Muttermal am Kinn hatte.
Peter machte seine Sache mit dem ganzen Eifer, den ein Anfänger in seinem Beruf mitbringt, wenn er wirklich Interesse hat. Über drei Stunden lang blieb er seinem Mann auf den Fersen. Die drei Männer, die aus dem Hause gekommen waren, hatten sich nämlich schon an der nächsten Straßenecke getrennt. Jackson wußte, daß die beiden anderen von Kollegen beobachtet wurden.
Die Männer unserer Überwachungsabteilung arbeiten mit allen Tricks, die sich denken lassen.
Peter Jackson blieb seinem Mann ständig — in gebotenem Abstand — auf den Fersen. Er notierte die Adressen aller Häuser, die Canbridge betrat. Zweimal gelang es ihm sogar durch einen vorsichtigen Blick ins Treppenhaus, die Etage festzustellen, die Canbridge auisuchte.
Am späten Nachmittag, es mochte inzwischen etwa halb sechs geworden sein, pilgerte Canbridge schließlich auf eine kleine Kneipe zu, die er betrat, ohne sich umzusehen.
Jetzt stand Jackson vor der schwierigen Entscheidung, ob er es wagen sollte, Canbridge in die Kneipe zu folgen. Da er nun schon einige Stunden hinter ihm her war, bestand die Gefahr, daß Canbridge jetzt seinen Beobachter entdeckte.
Andererseits wollte Jackson nicht stundenlang vor der Kneipe stehenbleiben.
Die Entscheidung wurde ihm abgenommen, als ein Trupp von acht oder neun Bauarbeitern auf die Kneipe lossteuerte. Blitzschnell zog sich Jackson die Krawatte ab, öffnete den obersten Hemdknopf und warf sich den Mantel lässig über den Arm. Mit seinen schwieligen Fäusten konnte er durchaus für einen Bauarbeiter gehalten werden.
Er wußte es so einzurichten, daß er ›rein zufällig‹ zugleich mit den Arbeitern an der Tür des Lokals ankam, so daß er mitten in ihrer Gruppe ins Lokal geschoben wurde.
Mit einem schnellen Blick hatte Jackson festgestellt, daß Canbridge mit einem Mann in einer Ecke saß. Dicht in der Nähe befand sich eine Entlüftungsklappe.
Jackson bestellte sich einen Schnaps, kippte ihn schnell hinunter und marschierte auf die Flurtür zu den Toiletten zu.
Er ging jedoch nicht zu den Toiletten, sondern auf den Hof und suchte dort die Hauswand ab. Er fand die Öffnung der Lüftungsklappe, postierte sich darunter und lauschte. Er mußte sein Gehör anstrengen, konnte aber doch die beiden Männerstimmen verstehen.
»Hast du die Kinokarten schon?« fragte der eine.
»Nein. Die werde ich gleich holen. Das Kino liegt gegenüber.«
»Die sind bestimmt nicht ausverkauft. Bei der Schnulze!«
»Ich glaub's auch nicht. Wenn Lionel nur endlich käme. Ich muß doch wissen, wie viele Karten ich nun holen soll.«
»Wissen die anderen schon alle Bescheid?«
»Ja. Du bist der letzte, dem ich es noch sagen mußte. Vergiß den Glasschneider nicht.«
»Keine Angst. Ich vergesse doch mein Werkzeug nicht. Wann treffen wir uns?«
»Kurz vor halb elf. Um halb elf fängt die letzte Vorstellung an.«
»Okay. Hoffentlich klappt alles.«
»Was soll schon schiefgehen?«
»Delane kann nicht mitmachen. Das gefällt mir nicht. Er war der gewandteste Fassadenkletterer, den man sich denken kann.
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