0299 - Der Schatten kommt auf leisen Sohlen
Holen Sie die Kiste doch, bitte, morgen früh ab, damit ich sie spätestens um zehn im Rathaus habe.‹ — Ich versprach, daß wir sie so früh wie möglich bringen würden. Dann hängte er ein.«
»Hatte seine Stimme etwas Besonderes? Sprach er vielleicht in irgendeinem Dialekt? Hatte er einen Akzent?«
»Nein, ich habe nichts dergleichen gehört.«
»War die Stimme hoch oder tief?«
»Mittel. Eine Alltagsstimme. Nichts Auffälliges daran.«
»Wurde nicht über die Bezahlung der Fuhre gesprochen?«
»Nein, mit keinem Wort.«
»Ist das nicht ungewöhnlich? Fragen die Leute nicht meistens vorher, was es kostet?«
»Keineswegs alle. Wenn eben etwas transportiert werden muß, rufen die Leute an und sagen es. Viele fragen gar nicht nach den Kosten.«
»Wie hatten Sie sich denn die Regulierung der Rechnung gedacht?«
»Na, zunächst hatte ich natürlich gedacht, daß man beim Oberbürgermeister doch keine Angst wegen der Bezahlung zu haben braucht. Und dann hätte ich den Fall wie bei unseren Stammkunden üblich abgewickelt.«
»Das bedeutet?«
»Ich hätte mir vom Fahrer den Arbeitszettel ausschreiben lassen, unseren Tarif ausgerechnet und eine Rechnung geschickt mit der Bitte um Überweisung binnen dreißig Tagen.«
»Der Gedanke, daß es gar nicht der Bürgermeister sei, kam Ihnen nicht?«
»Nein. Wer glaubt denn schon, daß sich jemand als Oberbürgermeister ausgibt?«
»Ja, ja«, brummte ich. »Hast du noch Fragen?«
Phil schob die Unterlippe vor und dachte nach. Dann erkundigte er sich: »Wo ist der Fahrer, der die Kiste abholte?«
»Das war doch Bill. Er hat heute die Tour rauf nach Yorikers. Er müßte zwischen sieben und acht wieder hier sein. Wenn Sie ihn unbedingt brauchen, kann ich ihm sagen, daß er beim FBI vorbeikommen soll, bevor er nach Hause fährt.«
»Ach, nein, so wichtig ist es nicht«, meinte Phil. »Er wird uns ja auch nicht weiterhelfen können. Auf dem Bahnhof ist er sicher als Angestellter Ihrer Firma bekannt, was?«
»Klar. Wir holen doch fast jeden Tag Sachen vom Bahnhof ab.«
»Es bestand also kein Grund, warum man ihm die Herausgabe der Kiste etwa hätte verweigern sollen?«
»Wieso denn?«
»Die Kiste war doch an den Oberbürgermeister adressiert. Wieso wurde sie dann einem anderen ausgehändigt?«
»Sie wäre bestimmt nicht jedem übergeben worden. Aber es kommt doch tagtäglich vor, daß Reisende ihr Gepück aufgeben, ihren Namen auf den Anhänger schreiben, und es dann nicht selbst abholen, sondern von einer Spedition abholen lassen. Die Leute im Bahnhof kennen Bill genau. Die wissen, daß er für mich arbeitet. Außerdem muß er den Empfang bescheinigen. Wenn jemand eine Sendung von uns nicht ausgeliefert bekäme, könnte die Bahn jederzeit nachweisen, daß wir sie erhalten haben.«
»Das ist richtig«, nickte Phil. »Nun, ich glaube, das wär's für heute. Vielen Dank für den Whisky und für die Hilfe.«
»Keine Ursache. Wenn ihr mal eine tüchtige Spedition braucht, denkt an uns. Wir sind zuverlässig, schnell und sicher. Für Geheimunternehmen auch verschwiegen.«
Wir lachten und verabschiedeten uns. Als wir in den Jaguar stiegen, sagte Phil:
»Das war ja mehr als mager. Das war absolut Null.«
»Ja, leider«, seufzte ich.
Aber wir täuschten uns. Wir hatten den Schlüssel zur Lösung des Rätsels bereits in der Tasche.
***
Als wir die Halle vom Hof her betraten, gab uns der Kollege am Auskunftsschalter ein Zeichen. Wir gingen hin. Er deutete mit einem Bleistift über unsere Schulter.
»Da drüben auf der Bank sitzt ein Cop, der auf euch wartet.«
»Danke.«
Wir gingen auf die Bank zu. Als der Mann von der Stadtpolizei merkte, daß wir zu ihm wollten, erhob er sich und kam uns entgegen. Er grüßte.
»Guten Abend. Ich bin Sergeant Ponelli vom 32. Revier. Wir bekamen die Nachricht, daß das FBI einen gewissen Cerwonka sucht.«
»Stimmt. Wissen Sie etwas über ihn?«
»Allerhand.«
»Okay. Kommen Sie rauf ins Office.«
Wir fuhren mit dem Lift nach oben.
Ponelli mochte an die fünfzig Jahre alt sein.
Es war ihm anzusehen, daß er die meiste Zeit des Tages an der frischen Luft verbrachte.
Sein Gesicht war von Wind und Wetter gegerbt.
»Setzen Sie sich, Sergeant«, sagte ich, als wir im Office waren. »Zigarette?«
»Ja, danke.«
Phil gab Feuer. Als Ponelli den ersten Rauch ausblies, bat Phil:
»Dann legen Sie mal los, Sergeant.« Ponelli räusperte sich.
»Hm. Um genau zu sein: Sie meinen Conrad Cerwonka, von tschechischen Eltern in
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