03 Arthur und die Stadt ohne Namen
ich zeige euch unser kleines Reich.«
Er führte uns durch einen Torbogen in einen von Kerzen erhellten Nebenraum, an dessen Wänden ein paar schlampig zusammengezimmerte Regale standen, die mit Büchern gefüllt waren. Dem ersten Augenschein nach war keines davon jünger als hundert Jahre. Larissas Augen leuchteten auf.
Knox entging das nicht. »Eine schöne Sammlung, nicht wahr?« Er nahm einen der Bände heraus und zeigte ihn uns. »Nahezu alles Originalausgaben. Es hat mich Jahrzehnte gekostet, diese Sammlung zusammenzutragen.«
Das Buch in seiner Hand war ein Text über Anatomie. Ich ging an den Regalen entlang und studierte die Rücken der Werke. Fast alle hatten etwas mit Medizin oder Physiologie zu tun.
Knox stellte den Band wieder weg und winkte uns weiter.
Durch einen kleinen Keller mit ein paar wackligen Tischen und Hockern, den Knox uns als »unseren Studiensaal« präsentierte, gelangten wir in einen großen Raum. Hier war, wie in dem Gewölbe mit dem Feuer, die Decke ebenfalls weggeschlagen worden. Eine Reihe von einfachen Holzbänken zog sich an der einen Seite auf Stufen in die Höhe.
»Dies ist unser Hörsaal.« Knox führte uns zu einem langen Holztisch, der unten vor den Bankreihen stand. »Hier halte ich meine Vorlesungen ab und wir debattieren über die gewonnenen Erkenntnisse.«
Ich strich mit der Hand über den Tisch. Ein Schauer durchlief mich und ich nahm die Hand schnell wieder hoch. Das Holz war voller großer, dunkler Flecken. Oder war es nur das trübe Kerzenlicht, das meinen Augen einen Streich spielte?
Knox stand hinter dem Tisch und blickte die leeren Sitzreihen empor. Seine Augen leuchteten im Halbdunkel. Ich spürte, dass er hier in seinem Element war.
Mit einer abrupten Bewegung riss er sich aus seinem Zustand. »Nun, da ihr alles gesehen habt, wollen wir uns ein wenig unterhalten.«
Wir kehrten in das Hauptgewölbe zurück.
»Nehmt Platz.« Knox deutete auf zwei Hocker, die gleich neben den Flammen standen. Ich folgte seiner Aufforderung. Sofort durchströmte mich eine angenehme Wärme.
Knox machte mit der Hand eine kleine Geste, und die beiden uns unbekannten Burschen setzten sich in Bewegung. Einer verschwand im Dunkel des Gewölbes, während der andere mit einem Eisenhaken den Kessel vom Feuer nahm. Sein Kumpan kehrte mit einer zerbeulten Blechkanne zurück, die er bis oben hin mit heißem Wasser füllte. Dann hängte er den Kessel wieder über die Flammen.
»Ein wenig Tee wird euch guttun«, sagte Knox. Er hatte neben uns Platz genommen. Hare brachte drei Porzellantassen, deren Henkel abgebrochen waren und von denen er jedem von uns eine in die Hand drückte. Kurz darauf dampfte ein kräftiger Tee in den Tassen.
Inzwischen hatte ich mich etwas näher im Gewölbe umgeschaut. An den Wänden lagen Dutzende von menschlichen Gestalten in weißen Hemden oder Kleidern. Genaues war nicht zu erkennen, denn das Licht der Flammen reichte nicht bis dorthin. Ab und an bewegten sie sich, so wie sich jemand im Schlaf umdreht. Außerdem konnte ich, wenn ich mich konzentrierte, ein leises Stöhnen vernehmen.
Meine Nackenhaare richteten sich auf.
»Wer sind die da?«, fragte ich Knox und deutete auf die Figuren an der Wand.
»Meine Studenten«, antwortete er, ohne zu zögern. »Sie haben gerade ihre Ruhezeit.«
»Und sie leben die ganze Zeit hier?«
Er nickte. »Warum nicht? Unsere Vorfahren haben auch ihr Leben in diesen Gewölben zugebracht. Hier sind wir sicher vor Neid und Nachstellungen der übrigen Welt. Und wir können unsere Forschung zum Wohle der Menschheit vorantreiben.«
Was war das nur für eine Forschung, von der er immer redete? In diesen Gewölben gab es, soweit ich sehen konnte, weder Elektrizität noch Internet, weder Labors noch eine gut ausgerüstete Bibliothek. Die alten Schwarten, die er uns gezeigt hatte, konnten doch wohl kaum die Grundlage für wissenschaftliches Arbeiten bilden.
»Ganz schön krass«, kommentierte Larissa. »Und wovon ernähren Sie sich?«
»Wir haben ein paar Vorräte«, sagte er und blickte Burke und Hare, die auf der anderen Seite des Feuers hockten, vielsagend an. Die beiden lachten auf eine Art, die mir überhaupt nicht gefiel. Es war höchste Zeit für uns, von hier zu verschwinden.
»Vielen Dank für die Bewirtung«, sagte ich. »Aber wir wollen Ihre Gastfreundschaft nicht länger in Anspruch nehmen.«
»Wie gut erzogen. Das trifft man selten heutzutage.« Sein Lächeln war noch breiter geworden. »Ihr fallt uns keineswegs
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