03 Arthur und die Stadt ohne Namen
Dingen ähnlich. Sie haben einen freien Willen und können sich für oder gegen die Gesetze Gottes entscheiden.«
»Es gibt gute und böse Dschinns«, fuhr Zakiya fort. »Meistens sind sie aber beides. Und sie sind menschenscheu. Dabei sind sie in verschiedene Klassen unterteilt. So gibt es bösartige Dämonen wie die mächtigen Ghule, die sich von Leichen ernähren, oder die Ifrits, die mit Vorliebe in verlassenen Gebäuden wohnen und besonders stark und gerissen sind.«
»Das ist doch alles Aberglaube«, protestierte Larissa.
»Nicht im Jemen«, erwiderte Maurice. »Hier glaubt so gut wie jeder an Dschinns. So, wie im Westen viele Menschen an die Existenz von Schutzengeln glauben.« Er grinste. »Zum Beispiel würde kein Jemenit im Badezimmer oder auf der Toilette singen, denn dies sind schlechte Orte, an denen sich Dschinns aufhalten könnten. Und menschlicher Gesang könnte sie verärgern.«
»Und was hat das alles mit unserer Adresse auf der Karte zu tun?«, fragte ich.
»Weil der Glaube an Dschinns in Sanaa so stark ist, stehen eine Menge Gebäude leer, weil dort böse Geister wohnen sollen«, sagte Zakiya. »In der Gasse der Dschinns sind es gleich eine ganze Reihe von Häusern, die unbewohnt sind. Natürlich hat die Straße offiziell einen anderen Namen, aber alle Einwohner Sanaas nennen sie nur so. Niemand wagt sich dort in der Dunkelheit hin, und die wenigen noch genutzten Häuser sind ausschließlich Büros, die nur tagsüber betreten werden.«
»Das heißt, die Wahrscheinlichkeit, dort auf Hayyid zu treffen, ist mehr als gering«, konstatierte Larissa.
Zakiya nickte. »Ihr solltet euch nicht allzu viele Hoffnungen machen.«
»Es ist unsere einzige Spur. Vielleicht gibt es dort irgendjemanden, der uns weiterhelfen kann.« Larissa stand auf. »Wir sollten gehen, solange es noch hell ist.«
Zakiya blieb sitzen. Sie druckste ein wenig herum. »Ich habe gleich noch einen Termin …«
Maurice schmunzelte. »Ich werde euch begleiten. Zakiya gibt es zwar nicht freiwillig zu, aber wenn es um Dschinns geht, dann ist sie noch nicht ganz so modern, wie sie es gerne sein möchte.«
»Stimmt nicht«, protestierte sie. »Ich gehe nur auf Nummer sicher. Ich glaube nicht an Dschinns, aber muss ich deshalb ausschließen, dass es sie gibt?«
»Wir haben auch einige Dinge erlebt, die wohl niemand für denkbar halten würde«, pflichtete ich ihr bei. »Seitdem schließen auch wir keine Möglichkeit mehr aus.«
Zakiya sah mich dankbar an. Larissa warf mir einen schiefen Blick zu. War sie etwa anderer Meinung? Darüber wollte ich jetzt nicht diskutieren und sie offenbar auch nicht. Maurice nahm sich die Karteikarte mit der Adresse und den Stadtplan und wir brachen auf.
Die Gasse der Dschinns lag nicht direkt im Suq-Viertel, sondern am Rande der Altstadt. Wir gingen durch ein Gewirr von engen Gassen und über kleine, begrünte Plätze. Hier und da saßen Frauen in kleinen Gruppen an den Hauswänden und unterhielten sich, unterbrachen ihre Gespräche jedoch, wenn wir vorbeigingen.
Schließlich erreichten wir die Gasse der Dschinns. Sie war nur auf einer Seite bebaut. Den Häusern gegenüber erstreckte sich eine bestimmt drei Meter hohe Mauer die Länge der Gasse entlang, die nicht mehr als hundert Meter betrug. Außer uns war nirgendwo ein Mensch zu entdecken.
Alle Häuser befanden sich im Zustand fortgeschrittenen Verfalls. Es waren kleine, geduckte Gebäude, keine Hochhäuser wie anderswo im Stadtkern. Die Farbe war von Holztüren und Fensterläden abgeblättert und der Putz war an vielen Stellen von den Mauern gefallen. Es sah nicht so aus, als würde uns hier jemand Auskunft über den Verbleib von Hayyid geben können.
Wir gingen zu der Hausnummer, die auf der Karteikarte angegeben war, und klopften. Niemand antwortete. Auch wiederholtes Pochen gegen die Tür brachte keine Reaktion.
»Die Dschinns scheinen noch zu schlafen«, kommentierte Larissa sarkastisch.
Ich rüttelte gerade an einem der geschlossenen Fensterläden, als wir Schritte hinter uns hörten. Zwei Männer näherten sich. Sie trugen kakifarbene Uniformjacken mit verschiedenen Abzeichen daran, schwarze Barette und Pistolengürtel um die Hüften. Einer der beiden war dick und rundlich, der andere dünn wie eine Spargelstange.
»Polizei«, flüsterte Maurice.
Kaum hatten sie uns erreicht, öffnete der Dicke den Mund. Ein Schwall arabischer Worte ergoss sich über uns. Sein hagerer Kollege stand einen halben Meter hinter ihm und nickte
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