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03 - Auf Ehre und Gewissen

03 - Auf Ehre und Gewissen

Titel: 03 - Auf Ehre und Gewissen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth George
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aufgenommen wird.«
    »Klingt wie Matthew Whateley.«
    »Ja, Sergeant. Eben darum geht es mir.«
    »Sie glauben doch nicht, daß Matthew Whateley sich selbst das Leben genommen hat, und das alles nur eine ausgeklügelte Inszenierung ist, damit es wie Mord aussieht?«
    »Ich weiß es nicht. Wir brauchen den Autopsiebericht aus Slough. Selbst die vorläufigen Ergebnisse müßten uns helfen, in der richtigen Richtung weiterzumachen.«
    »Und bis dahin?«
    »Rackern wir weiter. Mal sehen, was die Whateleys uns über ihren Sohn erzählen können.«
    Harry Morant war wie immer der letzte, der nach dem Sport seine Sachen im Trockenraum von Haus Kalchas aufhängte. Er hielt es absichtlich so. Er trödelte nach dem Sport so lange herum, bis alle anderen den Trockenraum längst wieder verlassen hatten und er seine Sachen in Rekordzeit aufhängen konnte.
    Das Gedränge war es nicht, das ihn störte. Es war der übelkeitserregende Gestank nach Schweiß und schmutzigen Kleidern, der durch die Hitze in dem engen Raum noch verstärkt wurde. Wenn Harry wartete, bis alle anderen fertig waren, konnte er vor der Tür einmal tief Atem holen, hineinflitzen, Kleider und Handtuch über eines der Rohre werfen, die sich an der Wand entlangzogen, und dann wieder hinausflitzen, ohne auch nur einmal nach Luft schnappen und den Gestank einatmen zu müssen. Darum ließ er sich beim Duschen und Umziehen immer besonders viel Zeit und bummelte dann in aller Gemächlichkeit zur Südwestecke des Hauses, wo sich der Trockenraum befand.
    Hockeysachen und Handtuch in den Händen, trottete er auch jetzt in diese Richtung. Seine Füße waren bleischwer. Die Schultern taten ihm weh. Etwas fraß an ihm, und Harry wußte auch, was es war. Angst und Schmerz und Schuldgefühle würden so lange unerbittlich weiter an ihm nagen, bis nichts mehr von ihm übrigblieb.
    Anfangs war es nicht so gewesen. Da hatte die Angst ihm den Mund verschlossen. Denn es hatte nicht lange gedauert, ehe es sich unter den Sextanern herumgesprochen hatte, daß Matthew Whateley vor seinem Tod gefoltert worden war. Da Harry kein übermäßig tapferer Junge war, hatte die Vorstellung, daß ihm Ähnliches widerfahren könnte, genügt, ihn zum Schweigen zu bringen. Aber auf die Angst war bald der Schmerz gefolgt, hervorgerufen durch das Bewußtsein, daß er selbst eine Hauptrolle bei den grauenvollen Ereignissen gespielt hatte, die zum Tod seines Freundes geführt hatten; hervorgerufen auch durch die Erinnerung an Matthews Unerschrockenheit und seine mutige Entschlossenheit, Harry zu helfen.
    Am Ende des Korridors holte er einmal tief Luft und stieß die Tür zum Trockenraum auf. Er stürzte sich hinein.
    Der Raum war kaum größer als ein Schrank, mit fleckigen Wänden, einem grauen Linoleumboden und einer Falltür in der Decke, an der zahllose Kaugummiklumpen so aufgeklebt waren, daß sie die Buchstaben f-u-c bildeten und den Anfang des Buchstaben k - eine Gemeinschaftsarbeit unternehmungslustiger Schüler, die die rostige Eisenleiter an der Wand hinaufklettern mußten, um die Tür zu erreichen. Im trüben Licht einer nackten Birne sah Harry, daß auf den Rohren nur noch wenig Platz war und daß viele seiner Mitschüler in der Eile ihre Sachen so nachlässig über die Rohre geworfen hatten, daß sie wieder heruntergefallen waren und jetzt in schweißfeuchten Bündeln auf dem Boden lagen. Die Hausmutter würde nicht erfreut sein. Und der Hausälteste auch nicht. Sie würden alle eine Strafe bekommen, wenn der Raum nicht halbwegs ordentlich aussah.
    Harry seufzte unachtsam und würgte, als ihm der faulige Gestank in die Nase stieg. Hastig hob er den nächsten Kleiderhaufen auf und machte sich daran, die Sachen aufzuhängen. Sie waren feucht und klebrig, und Erinnerungen kamen hoch. Es war, als läge er wieder hilflos auf dem Boden in der Dunkelheit und drückte verzweifelt die Faust gegen das schweißgetränkte Trikot, das die Brust bedeckte, die ihn niederdrückte.
    »Kleine Abreibung gefällig, Bubi?«
    Harry schrie auf, wollte nur noch weg, schleuderte die Kleidungsstücke, so schnell er konnte, über die Rohre. Seine Hand verkrampfte sich um ein Kleidungsstück. Es gab keine Rettung; davor nicht; jetzt nicht mehr. Ob er sprach oder nicht. Es war unvermeidlich.
    Sein Blick wanderte zu seinen Händen, die eine dunkelblaue Socke drehten und knüllten. Sie war im Gegensatz zu allen anderen Kleidungsstücken im Raum völlig trocken. Er zog und zerrte daran und berührte ein kleines Fleckchen

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