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03 - Auf Ehre und Gewissen

03 - Auf Ehre und Gewissen

Titel: 03 - Auf Ehre und Gewissen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth George
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vielleicht in die Flucht zu treiben.
    Dennoch ging er durch das Zimmer auf sie zu. In die Betrachtung des Bildes in ihrer Hand vertieft, blickte Deborah nicht auf, und St. James nahm einen Moment lang nur die sanfte Rundung ihrer Wange wahr, den feinen Schatten ihrer Wimpern auf der hellen Haut, die regelmäßige, leichte Bewegung ihres Körpers beim Ein- und Ausatmen. Erst als er am Bett stehenblieb, erst als er sich zu ihr hinunterbeugte, um sie zu berühren, sah er, was für ein Bild es war, das Deborah so gefangenhielt.
    Es zeigte Thomas Lynley. Lachend, eine Hand zur Kamera ausgestreckt, rannte er durch hellen Sand, Verkörperung von Schönheit und Anmut, und die Sonne lag glänzend auf seinem blonden Haar und dem braungebrannten, vom Wasser beperlten Körper.
    St. James wandte sich ab. Alles Begehren wurde zu Asche. Ehe Deborah etwas sagen konnte, war er aus dem Zimmer gegangen.

17
    Lynley beobachtete Alan Lockwoods wechselndes Mienenspiel, während dieser sich zum zweiten Mal das Band anhörte. Jeder Ausdruck war Spiegel einer aufkommenden und sofort wieder unterdrückten Gefühlsregung. Abscheu, Zorn, Mitleid und Ungläubigkeit jagten einander in rascher Folge.
    Sie hatten sich in Alan Lockwoods Arbeitszimmer getroffen. Seit sie ihm das Band zum erstenmal vorgespielt hatten, hatte er nichts weiter gesagt als »Noch einmal, bitte«, und beinahe unablässig das Blumenarrangement angestarrt, das seine Frau ihm am Vortag ins Zimmer gestellt hatte. Einige der Blüten welkten schon, eine Osterglocke ließ den Kopf hängen.
    Die Stimmen auf dem Band wechselten: laut und leise, flehentliches Bitten und höhnischer Spott. Die Quälerei hörte nicht auf. Lynley wollte es nicht mehr hören, versuchte, sich abzuschirmen.
    Sie waren kurz vor Ende des Morgengottesdienstes in Bredgar Chambers angekommen. Gerade verklangen die letzten Töne eines Chorais mit gewaltiger Orgelbegleitung. Ein schwarzgekleideter Lehrer stieg die Stufen zur achteckigen Kanzel hinauf, um zum Abschluß aus der Heiligen Schrift zu lesen. Als er sich umdrehte, sah Lynley, daß es John Corntel war. Nach einem Blick über die Versammelten schlug er die Augen nieder und begann zu lesen. Nur einmal geriet er ins Stocken.
    »Aus dem 62. Psalm«, kündigte er an. Das Gesicht über der schwarzen Robe, vom Leselicht der Kanzel beleuchtet, wirkte wachsbleich. »Meine Seele ist stille zu Gott, der mir hilft. Denn er ist mein Fels, meine Hilfe, mein Schutz, daß ich gewiß nicht fallen werde. Wie lange stellt ihr alle einem nach, wollt alle ihn morden, als wäre er eine hangende Wand und eine rissige Mauer? Sie denken nur, wie sie ihn stürzen, haben Gefallen am Lügen; mit dem Munde segnen sie, aber im Herzen fluchen sie.«
    Corntel verhaspelte sich, fing sich wieder und las weiter. Lynley hörte nichts mehr davon. Ein Wort dröhnte ihm in den Ohren wie zuvor das Brausen der Orgel. Sie haben Gefallen am Lügen. Sein Blick schweifte den symmetrischen Linien strenger Schönheit folgend durch die Kapelle.
    Die Köpfe tief gesenkt, wie zum Zeichen frommer Unterwerfung, knieten die Schulkinder im Gebet. Nur der Chor stand und stimmte, nachdem Corntel fertiggelesen und die Orgel mit donnerndem Klang die Introduktion gespielt hatte, den Schlußgesang an.
    Während Lynley, an eine steinerne Säule gelehnt, den jungen Stimmen lauschte, den Duft der brennenden Kerzen und des alten Holzes einatmete, mußte er an eine Passage aus dem Matthäusevangelium denken. Fast konnte er über den Gesang des Chors hinweg die Worte hören.
    »... ihr seid gleichwie die übertünchten Gräber, welche auswendig hübsch scheinen, aber inwendig sind voller Totengebeine und lauter Unrat.«
    Die Schüler gingen in langer Reihe aus der Kapelle hinaus - aufrecht, den Blick geradeaus gerichtet, die Uniformen sauber gewaschen und gebügelt, das Haar ordentlich gekämmt, die Gesichter klar und frisch. Sie müssen es wissen, dachte er. Alle. Sie haben es von Anfang an gewußt.
    Jetzt beugte Lynley sich vor und schaltete den Rekorder aus, rauhes Gelächter und schmerzliches Weinen verstummten. Er wartete auf Lockwoods Reaktion.
    Der Direktor richtete sich auf und ging zum Fenster. Er hatte es geöffnet, als sie vor einer guten Viertelstunde gekommen waren; jetzt stieß er es weiter auf und hielt sein Gesicht in die kühle Morgenluft. Er spitzte die Lippen, als wolle er pfeifen, und sog tief die Luft ein. Fast eine Minute lang verharrte er so.
    Barbara Havers sah Lynley an. Er wies mit dem Kopf

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