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03 - Auf Ehre und Gewissen

03 - Auf Ehre und Gewissen

Titel: 03 - Auf Ehre und Gewissen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth George
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angeordnet, eine Sonne bildend, in der sämtliche Leuchten aus nahezu fünfhundert Jahren englischer Literatur glänzten. Spenser und Shakespeare hingen Seite an Seite mit Donne und Shaw. Die Brownings waren ebenso vertreten wie Coleridge, Keats und Shelley. Byron hatte einen Platz zwischen Pope und Blake, und in der Mitte der sonnenförmigen Gruppierung strahlte ein Gedicht, größer als die anderen Dokumente und im Gegensatz zu ihnen, die in sauberer Druckschrift auf festem cremefarbenen Karton geschrieben waren, in schöner gestochener Handschrift auf feinem Pergament wiedergegeben. Die Worte sprangen einem förmlich aus dem Rahmen entgegen. In der rechten unteren Ecke des Pergaments stand »Sissy«.
    Chas Quilter saß mit einem Buch vor sich am Schreibtisch, anscheinend völlig in seine Lektüre vertieft - Vorbereitung vielleicht auf den Biologieunterricht. Es war, wie Lynley sah, als er nähertrat, ein medizinisches Lehrbuch, in dem einiges dick unterstrichen und der Rand voller Notizen war. Das Buch war auf einer Seite mit der Überschrift »Apert'sches Syndrom« aufgeschlagen, auf die unmittelbar eine Liste medizinischer Fachausdrücke mit dazugehörigen Erklärungen folgte. Neben dem Buch lag ein Spiralheft, aber wenn Chas die Absicht gehabt hatte zu exzerpieren, so war er damit nicht weit gekommen. Statt der erwarteten fachlichen Aufzeichnungen stand nur ein einziges Satzfragment auf dem Papier: »eine feurige Flut, von ewigbrennendem Schwefel gespeist«. Die Buchstaben waren von kunstvoll gezeichneten Flammen umzüngelt. Lynley erkannte, welchem Werk die Worte entnommen waren, als er das zweite Buch sah, das auf dem Schreibtisch lag, aufgeschlagen, aber mit dem Rücken nach oben. »Das Verlorene Paradies.«
    Chas jedoch hatte für all diese Dinge keinen Blick. Er starrte vielmehr völlig versunken auf eine Fotografie, die auf dem Fensterbrett stand und ihn neben einem jungen, langhaarigen Mädchen zeigte, deren Kopf an seiner Brust lag. Es war das gleiche Bild, das Lynley und Havers im Zimmer Brian Byrnes gesehen hatten.
    Chas fuhr zusammen, als Barbara zum Bücherregal ging und den Kassettenrekorder ausschaltete. »Ich hab gar nicht gehört -« stammelte er.
    »Wir haben geklopft«, sagte Lynley. »Aber Sie waren offensichtlich in Gedanken.«
    Chas klappte das medizinische Lehrbuch zu und ebenso den Milton. Er riß die Seite aus seinem Heft, auf die er die Zeile aus dem Epos geschrieben hatte, und knüllte sie zusammen. Doch er warf sie nicht weg, sondern behielt sie fest in der Hand.
    Barbara drängte sich in dem engen Zimmer an Lynley vorbei zum Bett und setzte sich. Nachdenklich zupfte sie an ihren Ohrläppchen, während sie Chas Quilter mit kaltem Blick musterte.
    Lynley ging zum Regal, wo die Stereoanlage stand. Er drückte auf einen Knopf. Die Musik setzte wieder ein. Er drückte auf einen anderen Knopf. Sie brach ab. Er preßte einen dritten Knopf. Die Kassette wurde ausgeworfen.
    »Warum sind Sie nicht beim Biologieunterricht?« fragte er den Jungen. »Haben Sie eine Befreiung von der Krankenstation? Man scheint die Dinger ja ziemlich leicht zu bekommen.«
    Chas' Blick war auf die Kassette gerichtet. Er antwortete nicht. Lynley sprach weiter.
    »Ich glaube nicht, daß Sie es waren, der die Kleinen gequält hat«, sagte er. »Ich denke, Harry Morant meinte etwas anderes, als er mir Ihren Namen nannte.«
    Er spielte mit der Kassette in seinen Händen. Der Junge am Schreibtisch preßte die Lippen zusammen.
    »Ich glaube«, fuhr Lynley fort, »Harry hat zu große Angst, um mir den Namen zu nennen, den ich wissen möchte. Nach dem, was er erlebt hat und was Matthew zugestoßen ist, kann man verstehen, daß er sich fürchtet, auch wenn man sich noch so sehr bemüht, ihn zu beruhigen. Vielleicht meint er auch, noch immer am Ehrenkodex der Schule festhalten zu müssen. Man verpetzt niemals einen anderen Mitschüler und dergleichen. Sie wissen, was ich meine. Aber Harry glaubte wohl, daß er uns trotz aller Angst irgend etwas sagen müsse; daß er nur so für Matthews Tod eine Art Wiedergutmachung leisten könne. Denn er fühlt sich natürlich in hohem Maß am Tod seines Freundes schuldig. Darum brachte er uns Matthews Strumpf. Und darum nannte er uns - in der Mansarde über dem Trockenboden im Haus Kalchas - Ihren Namen. Warum«, fragte Lynley und legte die Kassette auf den Schreibtisch, »glauben Sie, hat er das getan?«
    Chas' Blick folgte der Kassette. Dann sah er zu Lynley auf. Ohne ein Wort zu sagen,

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