Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
03 - Auf Ehre und Gewissen

03 - Auf Ehre und Gewissen

Titel: 03 - Auf Ehre und Gewissen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth George
Vom Netzwerk:
Boden.«
    Besorgt, der Junge könnte plötzlich die Flucht ergreifen, musterte Lynley ihn einen Moment aufmerksam. Dann stieß er die Tür auf und warf einen Blick in den heißen, übelriechenden kleinen Raum.
    »Ein Trockenraum«, sagte Barbara. »So einen gibt's in jedem Haus. Gott, ist das ein Gestank!«
    »Sie haben ihn sich angesehen, Sergeant?«
    »Ich habe sie mir alle angesehen. Sie sind alle gleich. Und riechen auch gleich.«
    Lynley sah zu Harry hinunter, der stumm vor sich hinstarrte. Das dunkle Haar fiel ihm tief in die Stirn, sein Gesicht wirkte fiebrig.
    »Bleiben Sie bei ihm«, sagte er zu Barbara und trat in den Trockenraum. Die Tür ließ er angelehnt.
    Zu sehen gab es wenig: Wasserrohre an den Wänden, über denen Kleidungsstücke aufgehängt waren, ein Linoleumboden, eine nackte Glühbirne, eine mit einem Vorhängeschloß gesicherte Falltür in der Decke. Lynley stieg die eiserne Leiter an der Wand hinauf, um die Falltür zu prüfen. Er hob den Arm, faßte das Schloß und zog einmal kräftig daran. Es glitt ganz leicht aus der Haspe, und als Lynley es betrachtete, entdeckte er, was Barbara Havers bei ihrer Inspektion des Raumes offensichtlich übersehen hatte. Jemand war dem Schloß mit einer Metallsäge zu Leibe gerückt und hatte sich so Zugang zu dem Raum verschafft, der sich über der Falltür befand. Lynley stieß die Tür auf.
    Über sich sah er einen schmalen, dunklen Gang mit grob verputzten Wänden, an denen fast keine Farbe mehr war. Am Ende des Ganges fiel durch einen Türspalt ein dünner Lichtstrahl herein. Lynley kletterte die letzten Sprossen der Leiter hinauf in den Gang und blieb hustend in der Staubwolke stehen, die er aufgewirbelt hatte.
    Er hatte keine Taschenlampe bei sich, aber die Beleuchtung des Trockenraums im Verein mit dem Licht, das durch die schmale Türöffnung am Ende des Ganges hereindrang, reichte ihm aus, um die Fußabdrücke zu erkennen, die sich im Staub auf dem Boden abzeichneten. Er bückte sich zu ihnen hinunter, entdeckte aber nichts weiter, als daß sie von Turnschuhen stammten. Er ging vorsichtig um einige ziemlich große Abdrücke herum zu der Tür am Ende des Ganges.
    Sie war gut geölt und frei von Staub. Ein leichter Druck genügte, und sie öffnete sich lautlos. Dahinter befand sich eine kleine Kammer, ein nutzloser Raum, eingezwängt unter dem Giebeldach und zweifellos längst vergessen von denen, die über das Haus die Verfügungsgewalt hatten. Willkommenes Versteck jedoch für jemand anderen.
    Durch drei Fenster in der Westmauer, deren Scheiben fast blind waren von Schmutz und Staub, drang schwaches Licht. Flecken bedeckten die Wände, einige stammten von eindringender Feuchtigkeit; andere schienen von Bier oder anderen Getränken herzurühren, die man in Wut oder Trunkenheit verschleudert hatte; und wieder andere, rostbraune Spritzer, schienen ihm getrocknetes Blut zu sein. Wo keine Flecken waren, hatte man obszöne Zeichnungen in den Kalk gekritzelt - männliche und weibliche Figuren in allen möglichen Positionen. Abfälle lagen haufenweise überall auf dem Boden - Zigarettenstummel, Verpackungen von Süßigkeiten, leere Bierflaschen, ein Plastikbecher, ein Krug, der der Schule gehörte, eine alte orangefarbene Decke vor dem Kamin, der als zusätzliche Müllhalde gedient hatte. Die stickige, muffige Luft stank nach Urin und Exkrementen. Auf dem Steinsims über dem Kamin standen vier Kerzen, Stummel nur noch. Die Wachsberge, die sich rund um ihren Fuß angesammelt hatten, verrieten, wie häufig dieser Raum nachts heimlich benutzt worden war.
    Lynley sah sich das alles genau an und war sich völlig klar darüber, daß ein Team der Spurensicherung hier wochenlang zu tun haben würde, um eindeutige Indizien dafür zu sichern, daß Matthew Whateley vor seinem Tod in diesem Raum festgehalten worden war. Daß es hier Spuren seiner Anwesenheit gab - ein Haar von seinem Kopf, einen Spritzer seines Bluts, ein Hautfetzchen oder eine Faser, die identisch war mit dem, was man an seiner Leiche gefunden hatte -, daran gab es für Lynley überhaupt keinen Zweifel. Doch er brauchte nur an Patsy Whateleys Zustand langsamer Selbstaufgabe zu denken, um sich den inneren Druck bewußt zu machen, der ihn drängte, diesen Fall so rasch wie möglich abzuschließen. Unvorstellbar, mit einer Festnahme warten zu müssen, bis die mühselige, bedächtige Arbeit der forensischen Experten getan war.
    In diesem Bewußtsein trat er an die Falltür, um in den Trockenraum

Weitere Kostenlose Bücher