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03 - Auf Ehre und Gewissen

03 - Auf Ehre und Gewissen

Titel: 03 - Auf Ehre und Gewissen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth George
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wird sich gedacht haben, daß der Schock über Jean ihn alles andere vergessen lassen wird. Außerdem war ein Hund im Haus. Wer würde es riskieren wollen, einen alten Mann anzugreifen, wenn ein Hund da ist, der ihn bewacht.«
    »Ein uralter Hund, Havers.«
    »Woher hätte Chas das wissen sollen? Er überfiel Jean draußen. Der Hund war im Haus. Er hörte ihn bestimmt bellen, aber sehen konnte er ihn nicht.« »Aber wir wissen, daß Matthew Jean nichts erzählt hat. Sie hätte es uns sicher gesagt, wenn sie etwas von ihm erfahren hätte.«
    »Ja, wir wissen es, Sir. Aber Chas weiß es nicht. Er weiß nur, daß Matthew sie gut genug kannte, um ihr Briefe zu schreiben. Diese Information haben wir selbst ihm geliefert.«
    »Sie scheinen ziemlich sicher zu sein, daß Chas der Mörder ist, den wir suchen.«
    Ihr Ton klang ungeduldig. »Es paßt doch alles, Inspector. Er hatte ein Motiv. Er hatte die Möglichkeiten. Und er hatte die Gelegenheit.«
    »Hat er eine Ahnung von Chemie?« fragte St. James.
    Barbara nickte kurz und fuhr mit lebhaften Gesten zu sprechen fort. »Außerdem ist das noch nicht alles. Daphne hat ihn am Freitag abend im Oberstufen-Club gesehen. Brian Byrne erzählte uns, er sei mehrmals weggegangen, um zu telefonieren. Aber er hat uns nicht alles erzählt. Er hat uns nicht erzählt, daß Chas um zehn Uhr ging und gar nicht mehr wiederkam. Brian deckt ihn, Inspector. Genau wie heute nachmittag, als er keinen Piep davon sagte, daß Chas verschwunden war. Er hat ihn von Anfang an gedeckt. Alle haben sie ihn geschützt. Weil's zu ihrem verdammten Ehrenkodex gehört.«
    Lynley überlegte einen Moment. Durch die geschlossene Tür waren Stimmen zu hören. Das Abendessen war vorbei.
    »Um welche Zeit wurde Jean Bonnamy überfallen?«
    »Kurz vor fünf. Nach dem, was der Colonel sagte. Vielleicht Viertel vor.«
    »Und Chas wurde um eins zuletzt gesehen?«
    Barbara nickte. »Er hatte fast vier Stunden Zeit, um seinen Plan auszutüfteln, nach Cissbury zu kommen, Jean Bonnamy aufzulauern, sie zu überfallen und abzuhauen.«
    Lynley wandte sich zur Tür. »Sehen wir uns in seinem Zimmer um«, sagte er. »Vielleicht finden wir da einen Hinweis darauf, wohin er verschwunden ist.«
    Im Foyer drängten sich Jungen in nassen Mänteln und mit tropfenden Schirmen. Sie standen in Gruppen beieinander, lachten und schwatzten, am lautesten die Sextaner, die ihre überschüssige Energie in einem spielerischen Kämpfchen abließen. Der Hausälteste rief sie zur Ordnung, als Lynley, Barbara und St. James sich näherten.
    »Zehn Minuten bis zur Studierstunde«, brüllte er laut.
    »Ihr wißt, was ihr zu tun habt.«
    Die Jungen stoben auseinander, einige die Treppe hinauf, einige zum Studierzimmer, andere zum Telefon. Ein halbes Dutzend älterer Schüler beobachtete die drei Londoner mit mißtrauischen Blicken.
    Im zweiten Stock schossen Jungen in ihre Schlafräume, um Hefte und Bücher für die Studierstunde zu holen. Vor der Tür des Nachbarzimmers von Chas Quilter unterhielten sich zwei Oberstufler mit gedämpfter Stimme und trennten sich rasch, als sie Lynley mit Barbara Havers und St. James im Korridor kommen sahen. Sie verschwanden in zwei verschiedenen Zimmern am Ende des Ganges.
    In Chas Quilters Zimmer hatte sich seit Lynleys und Barbaras letztem Besuch kaum etwas verändert. Das medizinische Lehrbuch, das Heft und Miltons »Das verlorene Paradies« lagen auf dem Schreibtisch. Das Bett war sauber gemacht. Der Teppich auf dem Boden lag glatt und ordentlich. Nur die Fotografie auf dem Fensterbrett war angerührt worden; sie lag mit dem Bild nach unten, als hätte der Junge seinen Anblick plötzlich nicht mehr ertragen können.
    Havers sah den Schrank durch. »Seine Sachen sind da«, sagte sie. »Nur die Schuluniform fehlt.«
    »Er hat also nicht die Absicht, für immer wegzubleiben«, meinte Lynley. »Da haben wir doch wieder eine Parallele zu Matthew Whateleys Verschwinden, Havers.«
    »Sie glauben, daß der Mörder von Matthew Whateley Jean Bonnamy überfallen und sich jetzt auch Chas geschnappt hat?« Barbara schien nicht überzeugt. »Das kann ich mir nicht vorstellen, Sir. Chas Quilter ist ein kräftiger Junge. Ein Sportler. So einen entführt man nicht so leicht wie den kleinen Matthew Whateley. Den Kleinen konnte man sich doch greifen wie ein Baby aus dem Kinderwagen!«
    Lynley stand an Chas' Schreibtisch. Nachdenklich strich er über die Bücher. Barbaras Worte gingen ihm nach. Vielleicht war da eine Verbindung

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