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03 - Auf Ehre und Gewissen

03 - Auf Ehre und Gewissen

Titel: 03 - Auf Ehre und Gewissen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth George
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besucht hatten und deren Anblick noch nach Jahren - wenn sie es am wenigsten erwarteten - den Schmerz über seinen Tod wieder wachrufen würde.
    »Bitte setzen Sie sich doch - Inspector, ist das richtig?« Patsy wies mit dem Kopf zur Couch.
    »Ja. Thomas Lynley.«
    Auf der Couch aus blauem Kunststoff lag eine alte rosa Decke, um sie zu schonen. Patsy Whateley zog die Decke ab und faltete sie mit langsamen Bewegungen, wobei sie darauf achtete, daß die Ecken genau aufeinander zu liegen kamen und keine Falten entstanden.
    Lynley setzte sich.
    Patsy folgte seinem Beispiel. Sie wählte den karierten Sessel und zog ihren Morgenrock zurecht. Ihr Mann blieb neben dem offenen Kamin stehen. Den elektrischen Heizer, der darin stand, machte er nicht an, obwohl es im Zimmer unangenehm kalt war.
    »Ich kann auch morgen wiederkommen«, sagte Lynley.
    »Aber es schien mir das Beste, sofort mit der Arbeit anzufangen.«
    »Ja«, sagte Patsy. »Sofort. Mattie - ich möchte es wissen. Ich muß es wissen.«
    Ihr Mann sagte nichts. Seine stumpfen Augen waren auf ein Foto des Jungen gerichtet, das auf dem Sideboard stand. Es zeigte einen strahlenden Matthew in seiner neuen Schuluniform - gelber Pulli, blauer Blazer, graue Hose, schwarze Schuhe.
    »Kev ...« Patsys Ton verriet Unsicherheit. Es war klar, daß sie wünschte, ihr Mann würde sich zu ihnen setzen, ebenso klar, daß er nicht die Absicht hatte, das zu tun.
    »Der Fall wird von Scotland Yard bearbeitet«, erklärte Lynley. »Ich habe bereits mit John Corntel, Matthews Hausvater, gesprochen.«
    »Dieses Schwein«, sagte Kevin Whateley.
    Patsy richtete sich in ihrem Sessel auf. Sie hielt den Blick auf Lynley gerichtet. Ihre Hand jedoch knüllte den Stoff des Morgenmantels zusammen. »Mr. Corntel, ja. Mattie wohnte im Haus Erebos. Da ist Mr. Corntel zuständig. Er ist der Hausvater, ja.«
    »Nach dem, was Mr. Corntel mir sagte«, fuhr Lynley fort, »scheint Matthew am letzten Wochenende die Idee gehabt zu haben, ein bißchen verbotene Freiheit zu genießen.«
    »Nein«, entgegnete Patsy.
    Lynley hatte diese automatische Verneinung erwartet. Er fuhr fort zu sprechen, als hätte sie nichts gesagt. »Er hat sich offenbar eine sogenannte Befreiung geholt, einen Schein von dem Krankenhaus, auf dem bestätigt wurde, daß er am Freitagnachmittag nicht am Hockeyspiel teilnehmen könne. In der Schule scheint man der Auffassung zu sein, daß er sich fehl am Platz fühlte und die Gelegenheit, die der beabsichtigte Besuch bei den Morants und die Befreiung ihm boten, dazu benutzen wollte, um vielleicht nach London zu reisen, ohne daß jemand etwas davon merkte. Man vermutet, daß er per Anhalter fahren wollte und unterwegs von irgend jemand mitgenommen wurde.«
    Patsy sah ihren Mann an, als hoffe sie, er würde eingreifen. Seine Lippen zuckten, aber er sagte nichts.
    »Das kann nicht sein, Inspector«, erklärte Patsy. »So war unser Mattie nicht.«
    »Wie kam er denn in der Schule zurecht?«
    Wieder flog Patsys Blick zu ihrem Mann. Diesmal erwiderte er den Blick kurz, ehe er die Lider senkte. Er nahm seine Schirmmütze ab und drehte sie einmal in den Händen, kräftige Arbeiterhände, die an mehreren Stellen kleine Verletzungen hatten, wie Lynley sah.
    »Es ist ihm gut gegangen in der Schule«, sagte Patsy.
    »Er hat sich dort wohl gefühlt?«
    »Aber ja. Er hatte ein Stipendium bekommen. Vom Verwaltungsrat ausgesetzt. Er wußte genau, was es bedeutet, in eine anständige Schule zu gehen.«
    »Bis zu diesem Jahr war er hier im Viertel zur Schule gegangen, nicht wahr? Dann wäre es doch möglich, daß seine alten Kameraden ihm fehlten.«
    »Keine Spur. Mattie fand es herrlich in Bredgar Chambers. Er wußte doch, wie wichtig eine gute Schulbildung ist. Und das war seine Chance. Er hätte sie bestimmt nicht weggeschmissen, nur weil ihm irgendein alter Klassenkamerad fehlte. Er konnte seine früheren Freunde ja in den Ferien wiedersehen.«
    »Aber vielleicht hatte er hier einen ganz speziellen Freund.«
    Lynley bemerkte Kevin Whateleys Reaktion auf die Frage, eine rasche, unbeherrschte Bewegung des Kopfes zum Fenster hin.
    »Mr. Whateley?«
    Der Mann sagte nichts. Lynley wartete. Wieder war es Patsy, die das Wort ergriff.
    »Du denkst an Yvonnen, Kev, stimmt's?« fragte sie und wandte sich erklärend an Lynley. »Yvonnen Livesley. Aus der Queen Caroline Street. Sie und Mattie waren in der Grundschule dicke Freunde. Sie haben immer zusammen gespielt. Aber es war eine reine Kinderfreundschaft,

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