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03 - Auf Ehre und Gewissen

03 - Auf Ehre und Gewissen

Titel: 03 - Auf Ehre und Gewissen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth George
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Lynley.
    Corntel stieß einen Laut aus, der fast wie ein unterdrückter Aufschrei klang. »O Gott, ich bin erbärmlich. Was mußt du von mir denken. Ich bin fünfunddreißig Jahre alt. Sie ist fünfundzwanzig. Sinnlos, alles. Hoffnungslos. Ich bin nicht der, für den sie mich hält. Ich bin nicht der Mann, den sie sich wünscht. Aber sie versteht es nicht. Sie will es nicht verstehen.«
    »Du warst Freitag abend mit ihr zusammen? Und am Samstag auch?«
    »Das ist es ja! Einige Stunden am Freitag und auch einige am Samstag. Aber nicht die ganze Nacht. Sie kann dir also nicht helfen. Du brauchst sie nicht zu fragen. Ziehe sie nicht in diese Geschichte hinein. Es steht auch so schon schlecht genug zwischen uns beiden.«
    Corntel sprach eindringlich, flehend beinahe, und Lynley dachte daran, was für eine Strafe einen Hausvater erwartete, wenn Alan Lockwood erfahren sollte, daß er nächtens eine Frau in seiner Wohnung gehabt hatte. Er dachte aber auch über Corntels Bitte nach, Emilia aus der Situation herauszuhalten. Er fand sie sonderbar. Schließlich lebten sie nicht im neunzehnten Jahrhunden. Für keinen von beiden bedeutete es eine vernichtende Bedrohung, daß sie in aller Diskretion ein paar Stunden miteinander verbracht hatten. Es ging hier noch um etwas anderes. Lynley spürte es so deutlich wie eine offenkundige Gefahr. Er überlegte. Die einzige Hoffnung auf Ehrlichkeit von Corntels Seite lag, soweit er sehen konnte, darin, daß sie bei diesem Gespräch unter sich waren; daß keine Aufzeichnungen gemacht wurden. So hatte das Verhör wenigstens den Anschein einer Unterhaltung zwischen alten Freunden.
    »Ich nehme an, ihr hattet Streit«, sagte Lynley. »Miss Roly ist nicht erfreut über Emilias Einfluß auf dich.«
    Corntel hob den Kopf. »Elaine ist beunruhigt, weil sie seit Jahren die Königin von Erebos ist. Der letzte Hausvater war auch unverheiratet. Die Vorstellung, daß plötzlich eine Ehefrau auftauchen und ihr einen Teil ihrer Macht wegnehmen könnte, ist wie Spitzgras für sie. Ich sollte ihr sagen, daß sie sich keine Sorgen zu machen braucht. Es wird nicht dazu kommen.« Seine Schultern zuckten. Er schwieg einen Moment, dann drehte er sich um und sah Lynley wieder an. Seine Augen hatten rote Ränder. »Was Matthew Whateley zugestoßen ist, hat mit Emilia nichts zu tun. Sie kannte den Jungen gar nicht.«
    »Aber sie war hier im Haus?«
    »Bei mir. Das ist aber auch alles.«
    »Aber sie kannte andere Schüler aus Haus Erebos. Brian Byrne zum Beispiel hat Chemie bei ihr. Ich habe ihn gestern nachmittag bei ihr im Labor gesehen. Und er ist dein Hausältester.«
    »Was hat das mit der ganzen Sache zu tun?«
    »Das weiß ich selbst nicht genau, John. Vielleicht gar nichts. Vielleicht sehr viel. Du hast mir gesagt, Brian sei am Freitagabend hier im Haus gewesen. Brian selbst hat mir erzählt, daß er fast den ganzen Abend im Oberstufen-Club war.«
    »Ich glaubte, er sei hier. Ich habe es nicht nachgeprüft.«
    »Auch später nicht? Nachdem Emilia gegangen war?«
    »Ich war durcheinander. Ich habe mich um nichts gekümmert, nachdem sie gegangen war.«
    »Weißt du, ob sie das Haus wirklich verlassen hat? Hast du sie weggehen sehen?«
    Corntels graues Gesicht verfiel noch mehr, als er die Bedeutung dieser Frage begriff. »Lieber Gott, du wirst doch nicht unterstellen, daß Emilia -«
    »Erst gestern wollte sie deinen Hausältesten vor dem Verhör bewahren, John. Was soll ich daraus schließen?«
    »Das ist einfach ihre Art. Sie hält keinen Menschen auch nur eines bösen Gedankens für fähig. Sie sieht das Böse nicht. Sie glaubt nicht einmal -« Er brach ab.
    »Sie glaubt nicht einmal -«, hakte Lynley nach.
    Corntel kam langsam zum Sofa zurück und blieb davor stehen, als überlegte er, ob er sich setzen solle oder nicht. Er beugte sich ein wenig vor und berührte eine abgewetzte Stelle an der Armlehne.
    »Wie sollst du es denn verstehen?« fragte er tonlos.
    »Es fing im letzten Jahr an«, sagte er. »Wir waren nur gute Freunde. Ich hatte mit Frauen immer Schwierigkeiten, aber mit Emilia war es anders. Es fiel mir leicht, mit ihr zu sprechen. Sie hörte zu. Sie sah mich an, wenn ich sprach. Andere Frauen taten das nie. Jedenfalls meiner Erfahrung nach nicht. Sie schienen immer irgend etwas anderes im Kopf zu haben. Sie sprachen zwar mit mir, aber mit ihren Gedanken waren sie ganz woanders, und ich war dann schon nach kurzer Zeit nicht mehr fähig, auch nur ein vernünftiges Wort hervorzubringen, um ihre

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