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03 - Auf Ehre und Gewissen

03 - Auf Ehre und Gewissen

Titel: 03 - Auf Ehre und Gewissen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth George
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ab.
    »Ich muß mit dir reden«, wiederholte er.
    Brian stand auf und faßte Chas bei der Schulter. »Aber klar«, antwortete er. »Wozu sind Freunde sonst da?«

    Emilia Bond erbot sich, einen Aushilfslehrer zu besorgen, der John Corntels Englischstunde um zehn übernehmen konnte, und trennte sich vor Haus Erebos von den beiden Männern. Lynley und Corntel traten nicht durch die Haupttür ein, die die Schüler gewöhnlich benutzten, sondern durch eine kleine Tür am Westende des Gebäudes, und gelangten direkt in Corntels Wohnung.
    Lynley war überrascht. Es war, als wäre man mit einem Schlag in die Nachkriegszeit versetzt worden, wo man von Möbeln nichts als solide Gediegenheit verlangt hatte. Schwere Sofas und Sessel mit Schondecken auf den Armlehnen; Ahorntische von plumper Linienführung; Lampen mit phantasielosen Schirmen; gerahmte Blumendrucke an den Wänden. Sicher war jedes Stück beste handwerkliche Arbeit, aber die Gesamtwirkung war spießig, als seien die Räume von einer alten Witwe eingerichtet worden, die peinlich darauf bedacht war, ihre Wohlanständigkeit zu demonstrieren.
    Corntels Arbeitszimmer sah nicht anders aus: ein wuchtiger Schreibtisch, eine Sitzgarnitur, die mit geblümtem Kretonne bezogen war, und ein niedriger Tisch, bei dem die Seitenteile herunterzuklappen waren. Auf dem Tisch standen ein Keramikkrug und ein voller Aschenbecher, allem Anschein nach einer der zwei Gegenstände, die Corntel selbst in dieses Zimmer gebracht hatte. Der andere war seine Bibliothek, die sehr viel Raum einnahm. Bücher überall - auf Regalen, in Stapeln unter dem Schreibtisch, eingezwängt in schmale Fächer links und rechts vom offenen Kamin.
    Corntel öffnete die Vorhänge, die halb zugezogen gewesen waren. Lynley bemerkte, daß man von hier aus Kalchas im Blick hatte und einen Fußweg dorthin, der keine sechs Meter am Fenster vorüberführte. Ungestört war man in diesem Raum wohl tatsächlich nur bei geschlossenen Vorhängen.
    »Kaffee?« Corntel wies auf einen Einbauschrank. »Ich habe eine Espressomaschine, wenn du eine Tasse probieren willst.«
    »Danke, gern.«
    Während Lynley zusah, wie Corntel den Kaffee bereitete, erinnerte er sich an Elaine Rolys Worte. »Die kleine Hexe will ihm gründlich den Kopf verdrehen. Und es ist ihr auch gelungen, wenn Sie's genau wissen wollen.« Er fragte sich, ob zwischen der Behauptung Elaine Rolys und der gegenwärtigen Verfassung Corntels ein Zusammenhang bestand.
    Selten hatte er einen Menschen mit so brüchiger Fassade erlebt. Die Emotionen brodelten dicht unter der Oberfläche. Das verriet der Blick, der dem Lynleys nicht standhalten konnte; die Hände, die mit den Dingen so ungeschickt umgingen, als erhielten sie vom Gehirn falsche Befehle; die gekrümmten Schultern, die vorgezogen waren wie eine Schutzhülle; seine eintönige Stimme. Es war schwer vorstellbar, daß Corntel einzig durch die Liebe zu einer Frau, ob nun unerwidert oder nicht, in einen solchen Zustand kaum verhohlener innerer Bedrängnis geraten sein sollte. Der Ausdruck, den Lynley auf Emilia Bonds Gesicht gesehen hatte, als er den beiden auf dem Spielfeld entgegengegangen war, hatte ihm den Eindruck vermittelt, daß die Liebe, wenn es wirklich das war, was Corntels Seelenfrieden bedrohte, durchaus erwidert wurde. Worunter aber litt John Corntel dann? Lynley glaubte, die Ursache gut zu kennen. Bei jemandem, der mit dem gleichen Leiden geschlagen ist wie man selbst, erkennt man die Symptome im allgemeinen leicht.
    »Wie hieß der Junge in Eton, der so ein Talent dafür hatte, dem Aufsichtslehrer ein Schnippchen zu schlagen?« fragte Lynley. »Du weißt, wen ich meine. Ganz gleich, wer abends oder am Wochenende Aufsichtsdienst hatte, er wußte immer genau, wie der Ablauf war - wann der Mann die Runde machen würde, wann die Türen überprüft werden würden, wann ein Überraschungsbesuch im Wohnheim fällig war. Erinnerst du dich?«
    Corntel schob den kleinen Kaffeebehälter aus Metall in die Espressomaschine. »Rowton. Er behauptete, er könne hellsehen.«
    Lynley lachte leise. »Das muß wohl gestimmt haben. Er hat sich nie geirrt, soweit ich mich erinnere.«
    »Und die ganze Begabung vergeudete er dafür, nachts zu einem Mädchen in Windsor zu schleichen. Wußtest du das? Sie bekam dann ein Kind von ihm.«
    »Ich kann mich nur erinnern, daß die anderen ihm dauernd wegen der Prüfungen in den Ohren lagen. Wenn er schon hellsehen könne, verflixt noch mal, wieso könne er dann nicht mal schauen,

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