03 - Auf Ehre und Gewissen
sondern seine Frau mit einem großen Blumenarrangement in einer flachen Schale.
Sie stockte nicht, als sie Lynley und Havers sah. Lächelnd nickte sie ihnen zu und trug die Blumen zum Tisch im Erker.
»Ich hatte sie eigentlich fürs Konferenzzimmer gedacht«, erklärte sie geschwätzig. »Blumen machen ein Zimmer immer gleich viel freundlicher, und da mein Mann drüben mit einigen Eltern spricht, dachte ich mir, daß die Blumen ... Ich versorge die ganze Schule mit Blumen. Aus unserem Gewächshaus. Aber das habe ich Ihnen schon erzählt, nicht? Manchmal vergesse ich, wem ich was schon mal erzählt habe. Das erste Anzeichen von Altersschwäche, sagt mein Mann immer.«
»Kaum«, widersprach Lynley lächelnd. »Sie müssen wahrscheinlich nur sehr viel im Kopf haben. Sie sprechen doch gewiß jeden Tag mit einer Menge Leute. Wie soll man da jede Einzelheit behalten?«
»Ja, natürlich.« Sie ging zum Schreibtisch ihres Mannes und schob völlig überflüssig einen Stapel Akten zurecht, der dort durchaus ordentlich lag. Diese Geschäftigkeit verriet, daß ein anderes Anliegen als einzig die Blumen sie ins Zimmer geführt hatte.
»Er arbeitet viel zuviel und ist oft so erschöpft, daß er sich manchmal nicht überlegt, was er sagt, Inspector. Da rutscht ihm schon einmal etwas Unbedachtes heraus. Wie diese Bemerkung über die Altersschwäche. Aber er ist ein feiner Mensch. Ein anständiger, aufrechter Mann.«
Sie entdeckte einen Bleistift zwischen den Akten und legte ihn zu den anderen in eine Schale. »Mein Mann bekommt nicht die Anerkennung, die er eigentlich verdient. Die Leute wissen gar nicht, was er alles für die Schule tut, und er spricht nicht darüber. Es ist nicht seine Art, große Worte zu machen. Jetzt ist er drüben im Konferenzzimmer und spricht mit vier Elternpaaren, deren Kinder sonst vielleicht nach Eton oder Harrow gehen würden. Aber er wird sie davon überzeugen, daß Bredgar die beste Wahl ist. Es gelingt ihm fast immer.«
»Das ist sicher die Aufgabe, die einem Schulleiter das meiste Kopfzerbrechen bereitet«, meinte Lynley.
»Ja, aber meinem Mann geht es um mehr«, erwiderte sie. »Er will die Schule unbedingt wieder auf das Niveau bringen, das sie unmittelbar nach dem Krieg hatte. Das hat er sich zur Aufgabe gemacht. Ehe er hierher kam, waren die Anmeldungen zurückgegangen. Die Leistungen waren schlecht, das zeigte sich besonders beim A-level. Er ist entschlossen, das zu ändern, und hat auch schon viel erreicht. Der neue Theaterbau war sein Einfall. Ein Mittel, um mehr Schüler für die Schule zu gewinnen. Natürlich Schüler, die hierher passen.«
»Paßte Matthew Whateley hierher?«
»Ich habe ihm Geigenunterricht gegeben. Ehe wir nach Bredgar kamen, war ich bei den Londoner Philharmonikern. Das wußten Sie wahrscheinlich nicht. Das weiß fast niemand. So etwas ist kein Thema für Gespräche mit den Frauen der Lehrer. Ich habe es aufgegeben, weil - na ja, als Frau eines Schulleiters hat man genug zu tun. Ich spiele jetzt hier im Schulorchester mit und gebe einigen Schülern Unterricht. Das ist zwar nicht ganz dasselbe« - sie lächelte bedauernd - »aber es ist wenigstens etwas. Man kommt nicht aus der Übung.«
Lynley hatte sehr wohl gemerkt, daß sie seiner Frage ausgewichen war. »Wie oft war Matthew bei Ihnen?«
»Einmal in der Woche. Er hat leider nicht genug geübt. Aber das ist ja bei den meisten Kindern so. Ich muß allerdings sagen, daß ich von einem Stipendiaten mehr erwartet hätte.«
»Aber das Stipendium war doch nicht von seinen Leistungen in der Musik abhängig?«
»Nein, das nicht. Aber bei einem Stipendiaten hofft man, daß er etwas interessierter ist, Inspector. Matthew - er war ehrlich gesagt nicht der Begabteste unter den Bewerbern. Mein Mann sagte immer, Matthew entspräche leider nicht ganz dem, was man sich für Bredgar Chambers wünschen würde. Aber seine Schuld war das nicht. Und es war auch nicht sein Betreiben, daß Matthew das Stipendium bekam. Man kann ihm also an dem Tod des Jungen wahrhaftig keine Schuld geben. Er meinte, er müßte -«
»Kathleen!«
Lynley und Barbara fuhren herum. Lockwood stand mit hochrotem Gesicht an der Tür.
Kathleen Lockwood schluckte. »Oh, Alan.« Mit einer Hand wies sie unsicher zum Tisch. »Ich habe dir Blumen gebracht. Eigentlich wollte ich sie dir ins Besprechungszimmer stellen, aber ich kam mit der Zeit nicht hin. Darum habe ich sie dir hier herein gestellt.«
»Danke.« Er trat neben die Tür. Die Botschaft war
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