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03 - Auf Ehre und Gewissen

03 - Auf Ehre und Gewissen

Titel: 03 - Auf Ehre und Gewissen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth George
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Byrne nicht. Sie wissen nicht, daß er an der Schule einmal einen Schützling hatte, der Chinese war - Edward Hsu. Ist es nicht ein merkwürdiger Zufall, daß sie uns aus heiterem Himmel erklären, Matthew habe chinesisches Blut gehabt?«
    »Wollen Sie damit sagen, die Tatsache, daß Matthew Chinese war - wenn wir das für den Moment mal als zutreffend voraussetzen -, habe Giles Byrne überhaupt erst auf ihn aufmerksam gemacht?«
    »Möglich wäre es immerhin, oder? Denn ist es nicht sonderbar, daß beide tot sind, Edward Hsu und Matthew Whateley? Zwei Jungen, die Giles Byrne unter seine Fittiche genommen hatte; und beide Chinesen.«
    »Ja, wenn Sie glauben wollen, daß Matthew Whateley Chinese war. Aber wenn er einer war, wo kam er dann her? War er das Produkt eines Seitensprungs von Patsy Whateley, von dem ihr Mann nichts weiß? Oder war er Kevin Whateleys außerehelicher Sohn, den die hochherzige Patsy liebevoll an ihren mütterlichen Busen nahm? Wer ist er?«
    »Ja, das müssen wir herausfinden. Nur die Whateleys können es uns sagen.«
    Als sie vor der Schule aus dem Wagen stiegen und durch das Haupttor hineingingen, sahen sie, daß die Tür zur Kapelle offenstand. Drinnen war der Chor versammelt. Die Jungen trugen ihre Schuluniformen und nicht die Chorgewänder, von denen am Vortag eine Aura reinster Unschuld ausgegangen war. Sie hatten offenbar Probe. In der Mitte einer Chorpartie aus dem Messias, wie Lynley erkannte, winkte der Chorleiter ungeduldig ab, gab einige Anweisungen und hob von neuem den Taktstock.
    »Aha, Vorbereitungen für Ostern«, stellte Barbara fest.
    »Tut mir leid, aber unter den gegebenen Umständen finde ich das ziemlich ätzend. Da singen sie Gloria und Halleluja, und vor ein paar Tagen ist einer ihrer Mitschüler auf gemeinste Weise umgebracht worden.«
    »Aber gewiß nicht vom Chorleiter«, versetzte Lynley, die Augen auf die singenden Jungen gerichtet.
    Chas Quilter stand in der letzten Reihe. Lynley beobachtete ihn, während er sich klarzumachen versuchte, was es war, daß der Junge schon bei ihrem ersten Zusammentreffen in ihm ein undefinierbares Gefühl der Beklemmung hervorgerufen hatte.
    Wieder unterbrach der Chorleiter und sagte: »Machen wir jetzt mit Mr. Quilters Solo weiter. Haben Sie die Stelle, Quilter?«
    Lynley wandte sich ab. »Gehen wir zu Lockwood, Havers.«
    Der Kapelle gegenüber waren zwei Türen, die Besuchern Zutritt zum Verwaltungstrakt von Bredgar Chambers boten. Die eine führte in das Büro des Pförtners, die andere in einen Korridor, in dem die Pokale ausgestellt waren, die die Sportmannschaften der Schule gewonnen hatten. Durch diesen Gang gelangten sie zum Sekretariat, wo Alan Lockwoods Sekretärin an der Schreibmaschine saß. Als sie Lynley und Havers bemerkte, stand sie mit einer Hast auf, die eher an Flucht als an Willkommen denken ließ. Durch die geschlossene Tür auf der anderen Seite des Flures war Stimmengemurmel zu hören.
    »Sie wollen zum Direktor«, stellte die Sekretärin fest.
    »Er ist augenblicklich in einer Besprechung. Bitte warten Sie in seinem Arbeitszimmer.« Dann eilte sie an ihnen vorbei, öffnete die Tür zu Lockwoods Zimmer und winkte sie hinein. »Ich kann nicht sagen, wie lange es dauern wird«, bemerkte sie kühl, ehe sie die Tür schloß.
    »Reizendes Mädchen«, stellte Barbara fest, als sie allein waren. »Weiß offensichtlich genau, was sie zu tun hat.«
    Lynley nutzte die Gelegenheit, um die Fotografien und Zeichnungen zu mustern, die, an einer der Wände aufgereiht, die Geschichte der Schule dokumentierten. Barbara gesellte sich zu ihm.
    Die Fotografien umfaßten die letzten hundertfünfzig Jahre, verblichene Daguerreotypien waren die ersten fotografischen Zeugnisse. Schulkinder posierten im Schatten des Standbildes Heinrich VII.; standen vor der Schule aufgereiht; marschierten in feierlicher Parade über den Sportplatz; rollten in Pferdewagen die Auffahrt herauf. Alle waren sie blitzsauber und adrett in ihren Schuluniformen, alle strahlten sie.
    »Fällt Ihnen was auf, Sergeant?«
    »Nichts, bis auf ein auffallendes Gesicht hier und dort. Für frühere Zeiten ganz normal. Für die letzten zehn Jahre eher ungewöhnlich.
    Also sind wir wieder beim Rassismus angelangt.«
    »Ich glaube nicht, daß wir ihn außer acht lassen können, Havers. Jedenfalls vorläufig nicht.«
    »Ja, schon möglich. Wir können's ja mal durchspielen.«
    Als sich die Tür öffnete, drehten sie sich beide um. Aber nicht Alan Lockwood kam herein,

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