03 - Der Herr der Wölfe
erleichtert. In Abwesenheit ihres Mannes würde sie die Geschicke der Festung lenken. Sie begrüßte alle, dann speiste sie mit Ragwald, Philippe und Gaston und hörte noch mehr beängstigende Neuigkeiten über die Anzahl der Dänen, die an den nahen Küsten eintrafen. Später schlichtete sie den Streit zweier leibeigener Bauern um eine Kuh, die erkrankt und verendet war. Sie schrieb Briefe an Odo und andere Adelsherren, und schließlich zog sie sich in ihr Zimmer zurück.
Bedrückt sank sie ins Bett, wo sie mit Conar geschlafen hatte. Nun war es ihr endlich gelungen, ihn zu übertrumpfen. Doch sie verspürte keine Genugtuung. Ihr Magen drehte sich um, Tränen rollten über ihre Wangen, und sie glaubte, daran zu ersticken. Sie sprang aus dem Bett, erreichte gerade noch rechtzeitig ihre Waschschüssel und übergab sich.
Sie war die Gräfin, und nun würde sie ihr Schicksal in die eigenen Hände nehmen. Aber sie hatte sich noch nie so allein gefühlt, noch nie so schmerzliche Sehnsucht nach Conar empfunden, obwohl sie seine Wut und seine Rache fürchtete.
Um ihre Heimkehr zu erwirken, hatte sie nicht mit einem Dämon geschlafen, sondern ihr Herz und ihre Seele preisgegeben.
Kapitel 19
Sie hatten ein großes Heer versammelt, aber meistens saß es untätig herum, während sich die Verhandlungen mit Maelmorden in die Länge zogen. Nur gelegentlich kam es zu Scharmützeln.
Maelmordens Krieger befanden sich in der Minderzahl doch er hatte Niall, den Ard-Righ, in seiner Gewalt und könnte, falls dieser sterben sollte, den Titel beanspruchen. Normalerweise wurde der Sohn des hohen Königs dessen Nachfolger, doch das Amt war nicht unbedingt er-, blich. Ein Mann musste seinen Wert beweisen, ehe man ihn zum höchsten irischen Herrscher ernannte. Und Nialls junge Söhne nahmen noch nicht an den Kämpfen teil.
In der christlichen Welt war es üblich geworden, die Wikinger, die in fremdes Gebiet eindrangen, zu bestechen, um sie fortzuschicken. Aber wenn Malmenden auch die Dänen zu Hilfe gerufen hatte - es ging ihm nicht um Gold und Geld. Er wollte, dass die rangniedrigen Könige seine Autorität anerkannten und sich vor ihm beugten.
Wochenlang stand Conar mit seinem Vater und den Brüdern Maelmordens Berserkern gegenüber. Wieder einmal verlangte Olaf die Freilassung seines Schwagers. Niemals würde er Maelmorden oder dessen Sohn als Ard-Righ akzeptieren. Hinter Olaf erhoben der König von Connaught und die anderen ihre Stimmen.
Fluchend entgegnete Maelmorden, bald werde Niall den Tod finden. Die Temperamente erhitzten sich, wieder fanden vereinzelte Kämpfe statt, aber keine ernsthaften Auseinandersetzungen. Letzten Endes verließen alle das Schlachtfeld und kehrten in ihre Zeltlager zurück.
In dieser Nacht schlief Conar unter freiem Himmel. Der Anblick der Sterne erinnerte ihn an Ragwald, dann dachte er an Melisande. Nur zu gut wusste er, was in ihr vorgehen musste, während die Dänen über fränkische und friesische Küsten herfielen. Hätte er ihren Brief anders beantworten sollen? Nein, das wäre unmöglich gewesen. Er vermisste sie noch schmerzlicher, als, er es befürchtet hatte, Tag und Nacht. Vor allem nachts. Wenn er die Augen schloss, glaubte er ihre Flüsterstimme zu hören und sah sie nackt auf sich zukommen. Manchmal streckte er unwillkürlich die Hand aus, um sie zu berühren. Aber in diesen langen leeren Nächten spürten seine Finger nur Erdreich an der Stelle, wo seine Frau liegen müsste.
Mehrere Mädchen hatten die Krieger ins Lager begleitet, doch obwohl ihn heiße Leidenschaft peinigte, empfand er zu seiner eigenen Überraschung kein Bedürfnis nach schneller, oberflächlicher Befriedigung. Die kleine Hexe hatte nicht nur seine Sinne, sondern auch sein Herz gestohlen. Er liebte sie, und das war ein sonderbares, nicht immer süßes, sondern auch qualvolles Gefühl. Er träumte von Melisande und sehnte sich nach ihr.
Meistens versank er in schöne Träume, aber in dieser Nacht nicht. Er stürmte durch das Dunkel und ahnte, dass er Melisande verloren hatte. Sein Herz klopfte laut, die Lungen drohten zu bersten, die Muskeln schmerzten. Er schrie ihren Namen, lief noch schneller und hörte sie antworten, er konnte sie aber nicht sehen. Vor ihm rotteten sich Feinde zusammen.
Verzweifelt blieb er stehen, und plötzlich verschmolz er mit dem alten Baum, der an seiner Seite wuchs. Als Baum konnte er sich mühelos einen Weg durch die Horden bahnen. Wieder suchte er seine Frau, vernahm ihre Stimme,
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