03 - Der Herr der Wölfe
in der Tränen mitschwangen, und dann fand er sie. Man hatte sie begraben, und wie aus weiter Ferne rief sie nach ihm …
Er schreckte aus dem Schlaf hoch, und sein Kopf prallte gegen den Baumstamm, neben dem er lag. Stöhnend setzte Conar sich auf und presse beide Hände an den Kopf. In der Nähe bewegte sich Leith, der seine Satteltasche als Kissen benutzte, und daneben schlief Eric.
»Conar!« flüsterte Leith, zu einem ernsthaften Mann herangewachsen - kein junge mehr, der seinen Bruder neckte und ihm ein Spielzeugschwert wegnahm. »Alles in Ordnung?«
»Ja, warum?«
»Du hast dich im Schlaf umhergeworfen und geschrien.«
Das Blut stieg in Conars Wangen. Zum Teufel mit Melisande! Nun konnte er seine viel zu lebhaften Träume nicht einmal mehr geheimhalten. Er zögerte kurz, dann stand er auf und streckte die steifen Glieder.
Auch seine beiden Brüder erhoben sich, und Eric, der mit Conars Lebenslage vertrauter war, fragte: »Sorgst du dich um deine fränkische Festung?«
Conar nickte und grinste schief. »Und wenn ich dort bin, sorge ich mich um Irland. Übrigens, mein Traum brachte mich auf eine Idee. Wir könnten herausfinden, wo Niall steckt, und ihn einfach befreien.«
»Wie denn?«
»Ein einzelner Mann schleicht sich unbemerkt ins feindliche Lager.«
»Vielleicht wäre das möglich.« Leith schaute Eric an.
Sie riefen ihre anderen Brüder und Verwandten zusammen, dann eilten sie zu Olaf. Ehe sie ihre Unterredung begannen, schickten sie Späher zur Grenze des Feindeslagers, die feststellen sollten, wo Niall gefangengehalten wurde.
»Dieser eine Mann riskiert sein Leben«, meinte Olaf, nachdem er sich den Vorschlag angehört hatte. »Oder seine Festnahme und Folterqualen. Das würde die Verhandlungen noch erschweren.«
»Aber so kann es nicht weitergehen, Vater«, erwiderte Conar.
»Was hast du zu sagen, Leith?«
»Mir gefällt die Idee meines Bruders. Die Feinde würden uns noch endlos lange hinhalten, und wir dürfen keinen Sturmangriff wagen, denn wenn wir Maelmorden töten, würden die Dänen Niall ermorden, um Vergeltung zu üben.«
»Und wer soll die schwere Aufgabe übernehmen?« fragte Olaf.
»Ich, weil es meine Idee war«, erwiderte Conar.
»Und wie willst du dich tarnen?«
»Mit einer Mönchskutte.«
»Mein Bruder, der Mönch«, murmelte Eric.
Allgemeines Gelächter lockerte die Spannung ein wenig
»In letzter Zeit haben sich seine Gewohnheiten geändert«, bemerkte Leith. »Ist euch das nicht aufgefallen? Welcher Zauber konnte das bewirken?«
»Ich glaube, er ist sehr schön und hat ebenholzschwarzes Haar … «, begann Eric.
»… und ist schrecklich eigensinnig und ungehorsam.« Conar schaute sie alle der Reihe nach an. »Könnten wir wieder zum Thema kommen?«
»Natürlich«, sagte Leith.
»Vater, bis zu einem gewissen Zeitpunkt muss mein Plan geheim bleiben«, erklärte Conar, »danach brauche ich die Hilfe des Heeres.«
»Wahrscheinlich wird Niall streng bewacht.«
»Er befindet sich schätzungsweise im Zentrum des Lagers und wird höchstens von ein bis zwei Mann bewacht. Aber man würde sein Verschwinden bald entdecken, und dann benötige ich den Beistand unserer Krieger.«
»Und wenn er verletzt oder verstümmelt ist?«
»Dieses Risiko muss ich eingehen, Vater.«
»Wir warten, bis unsere Späher zurückkehren und Bericht erstatten. Geh noch nicht, Conar, ich möchte mit dir reden.« Nachdem die anderen das Holzhaus verlassen hatten, das als Hauptquartier errichtet worden war, fragte Olaf: »Hast du von deiner Frau gehört?«
Eine eisige Welle schien durch Conars Körper zu strömen. »Nein, in letzter Zeit nicht. Sie schrieb mir, von Ragwald habe sie erfahren, dass zahlreiche Dänen zum Angriff rüsten. Ich antwortete ihr, und seither meldete sie sich nicht mehr Was gibt’s?«
»Ich weiß nicht, ob es wichtig ist. Aber Erin schrieb mir, Melisande sei mit Rhiannon nach Wessex gesegelt. Ich dachte, sie hätte dich vielleicht schriftlich um Erlaubnis’ gebeten.«
Conars Mund wurde trocken. Heftiger Zorn und kalte Angst erfassten ihn.
»Du müsstest zurückreiten«, fuhr sein Vater fort. »Jemand anderer soll deinen Plan durchführen.«
»Nein, das erledige ich selbst. Noch heute. Danach werde ich das Heer verlassen.«
Nach kurzem Zögern nickte Olaf. »Vielleicht hast du recht. Wenn du Niall befreist, können wir alle heimkehren.«
Wenig später erschienen die Späher. Niall wurde in Maelmordens Haus, direkt hinter der Front, festgehalten. Mehrere Leute
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