03 - Der Herr der Wölfe
verabscheut die Wikinger. Trotzdem leben wir seit vielen Jahren glücklich zusammen, und die Schiffe, die mit ihrem Segen aus unseren Häfen segeln, sind von norwegischer Bauart.« Er schwieg eine Weile, dann meinte er: »Es war ein kluger Entschluß, Melisande hierherzusenden. Aber viele Männer werden dir diese Ehe und das reiche Erbe neiden. Deshalb sollte sie von nun an immer in deiner Nähe bleiben.«
»Oder an einem sicheren Ort.«
Olaf nickte. »Ich weiß nicht, ob dir klar ist, was für ein erstaunliches Mädchen du für dich gewonnen hast.«
»Von Melisandes Klugheit konnte ich mich bereits überzeugen, ebenso von ihrer Fähigkeit, andere Menschen zu betören. So, wie es aussieht, hat sie meine Familie im Sturm erobert … «
»Wenn sie dich im Augenblick auch mehr ärgert als beglückt - sie ist eine außergewöhnliche Frau, die so manchen Mann reizen dürfte mit oder ohne Erbe.« Lebhaft stand Olaf auf, rückte Becher und Obstschüsseln zurecht, um eine Landkarte nachzubilden. »Hier haben wir Irland, hier Alfreds Wessex, da sind Gent und Brügge, die dänischen Stützpunkte. Und nun denk an das gesetzlose Chaos, das schon so lange an der Küste herrscht! Seit Charlemagne gab es keinen Führer, der die fränkischen Königreiche zu stärken vermochte. Als Ludwig der Fromme starb und das Land zwischen seinen Söhnen aufgeteilt wurde, öffneten sich den Dänen Tür und Tor. So sehr ich es auch bedaure, so etwas über diese Wikinger sagen zu müssen, mein Sohn - die meisten sind Söldner und kämpfen für jedes Heer, das sie gut bezahlt. Oft sehen sich die Krieger dieses oder jenes Herrn einem Feind gegenüber, der kurz zuvor an ihrer eigenen Seite gekämpft hat. Nun hält Alfred die Dänen von England fern, und die kriegerischen Eindringlinge suchen nach neuen Jagdgründen. Wir alle müssen in den nächsten Jahren -unsere Verteidigungsbastionen festigen. Und du, Conar, musst verhindern, dass deine Frau in die Hände eines Mannes fällt, der eure Ehe mühelos annullieren lassen könnte, um sie selbst zu heiraten. Ich warne dich! Die Erbin einer so schönen Liegenschaft mit sicherem, natürlichem Hafen ist eine begehrenswerte Beute. Deshalb solltest du stets für Melisandes Wohlergehen sorgen.«
»Das würde ich gern tun, Vater, aber nun hat sie dir die Erlaubnis zu dieser Reise quer durchs Land abgerungen.«
»Ich dachte, du würdest nichts dagegen haben.«
Conar hob eine Hand. »Schon gut, es macht mir nichts aus.« Und das stimmte. Er hatte Melisande nach Irland geschickt, um sie vorerst loszuwerden. Trotzdem war er jetzt verstört. Einerseits wollte er nicht, dass sie ihm zur Last fiel, und andererseits . . ein Vater brauchte ihn nicht zu ermahnen. Von nun an würde er sie nicht mehr aus seinen wachsamen Augen lassen, wenn er auch glaubte, bei Bede wäre sie in Sicherheit.
Obwohl Melisande im Schutz seines Bruders auf Reisen ging, fühlte sich Conar beunruhigt. Seit dem Tod seines Großvaters hing der Frieden in Irland oft an einem seidenen Faden. Schon vierzehn Tage nach seiner Heimkehr wurden sie in den Norden gerufen und halfen Onkel Niall, Ulster vor dänischen Eindringlingen zu schützen.
Der Angriff wurde zurückgeschlagen, noch ehe alle irischen Könige ihre Streitkräfte sandten.
Wenn der Feldzug auch lange dauerte, so erlitten sie keine allzu schlimmen Verluste. Die Iren hatten zu kämpfen gelernt. Viele einstige Feinde Olafs des Weißen zählten nun zu seinen eifrigsten Anhängern. Sie wussten, wie gut er es verstand, die Strategien im Krieg gegen die früheren gemeinsamen Gegner - die Dänen - zu planen.
Olaf stand an der Seite seines Schwagers Niall von Ulster, des neuen Ard-Righs, und die Treue, die sie einander hielten, festigte alle Bande in irischen Kreisen.
Der Feldzug verlief erfolgreich, schien aber kein Ende zu nehmen. Olaf ritt zwischendurch immer wieder nach Dubhlain, aber Conar fühlte sich verpflichtet, in Nialls Stellung auszuhalten. Die Sicherung seines Landbesitzes in Frankreich musste warten. Swen schickte Nachrichten nach Dubhlain, die von dort zu seinem Herrn in den Norden gelangten. Es gab nichts zu befürchten, die Festung an der Küste Frankreichs befand sich in guten Händen. Ebenso wie Melisande. Er dachte kaum an sie.
Als er nach Dubhlain zurückkehrte, waren über zwei Jahre verstrichen, seit er seine junge Frau zuletzt gesehen hatte. Nun stürzte sie ihn in große Verwirrung. Bei seiner Ankunft saß sie mit Erin in der Schlosshalle, so ruhig und würdevoll,
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