03 - Der Herr der Wölfe
schließen, Melisande.«
»Frieden? Nicht mit mir! Zu lange wurde ich vernachlässigt und der Freiheit beraubt.«
Er hob sie lächelnd vom Pferd und drückte ihren nassen Körper an seinen, so dass ihre Füße den Boden nicht berührten. Unwillkürlich legte sie ihre Hände auf seine gleichfalls nassen Schultern. »In Zukunft werde ich dich nicht mehr vernachlässigen«, versprach er. »Und was die Freiheitsberaubung angeht - die hast du dir selber zuzuschreiben.«
»Conar!« Sein Bruder Eric rief nach ihm, und er stellte Melisande auf die Beine. Sie wandte sich so unverhofft ab, dass ihre langen nassen Haare durch die Luft flogen und in sein Gesicht klatschten. Aber ehe sie davoneilen konnte, packte er sie unsanft an der Schulter und drehte sie zu sich herum. Eric kam näher und runzelte die Stirn. »Wie ich sehe, hast du deine Frau gefunden. Stimmt was nicht?«
Diese Frage war verständlich, denn beide steckten in triefend nasser Kleidung.
Conar drückte seine Frau grinsend an sich. »Alles in bester Ordnung. Melisande warf mich vor lauter Wiedersehensfreude in den Bach.« Er spürte, wie sie zusammenzuckte, aber sie widersprach ihm nicht. »Du frierst, meine Liebe. Geh hinein und nimm ein Bad. Ich komme gleich zu dir.«
Wortlos rannte sie davon, und Eric schlug auf Conars Schulter. »Trinken wir etwas von dem köstlichen Wein, den du mir mitgebracht hast.«
»Aber ich bin klatschnass.«
»Dann lass ich den Wein in deine Räume bringen.«
In der Halle trafen sie Rhiannon, die gerade die Sitzordnung an der Tafel festlegte, und Eric erzählte ihr, Conar und seine Frau seien in den Bach gefallen.
Rhiannon nickte. »Ich habe bereits eine Wanne und heißes Wasser in ihr Zimmer geschickt. « Zögernd wandte sie sich an Conar. »Sie wohnt am Ende des Flurs, und ich ließ deine Sachen in den Raum daneben bringen. Hinter dem Wandteppich findest du eine Verbindungstür. Ist dir das recht?«
Vorsichtig, um ihr schönes blaues Kleid nicht nass zu machen, küsste er sie auf die Wange. »Wunderbar!«
»Du bekommst auch bald eine Badewanne.«
»Und … «, begann Eric.
»Und eine Karaffe Wein«, unterbrach sie ihn belustigt.
»Danke, meine Liebste.« Eric drückte ihr einen zärtlichen Kuss auf die Lippen, und als Conar die beiden beobachtete, wurde ihm das Herz schwer.
Zum ersten Mal beneidete er seinen Bruder - nicht um .diese schöne, starke Festung, die er im Dienst eines großen Königs befehligte, sondern um seine harmonische Ehe und die Kinder. Glück und Fröhlichkeit erfüllten dieses Haus bis in den letzten Winkel. Vor diesem Augenblick hatte er nicht gewusst, dass er sich nach solchen Dingen sehnte. Er war zu beschäftigt gewesen, hatte für die irische Heimat gefochten, dann sein eigenes Land errungen und gekämpft, um es zu behalten. Melisandes Land.
Während er mit Eric die Treppe hinaufstieg, biss er die Zähne zusammen. Und sie beklagte sich, weil sie vernachlässigt worden war! Was hätte er denn tun sollen? Er hatte ein Kind geheiratet und warten müssen, bis es herangewachsen war.
Sie betraten sein Zimmer, wo bald Dienstboten erschienen und eine hölzerne Wanne mit dampfendem Wasser füllten. Rasch legte Conar seine nasse Kleidung ab und stieg dankbar ins warme Bad. Eric reichte ihm einen Becher Wein.
»Du würdest eine großartige Ehefrau abgeben, lieber Bruder«, meinte Conar grinsend.
Eric hob die Brauen, dann lachte er. »Wenn man dich so leicht zufriedenstellen kann, muss irgendetwas in deinem Leben fehlen.« Er sank in einen geschnitzten Stuhl vor dem Kamin, legte die Füße auf einen mit Hirschfell bezogenen Schemel und prostete seinem Bruder zu. »Auf dein Wohl!«
»Und auf deines.« Conar schwieg eine Weile. Schließlich zuckte er die Achseln. »In meinem Leben fehlt eine ganze Menge. Aber wenn ich in die Vergangenheit zurückblicke, weiß ich nicht, wie ich das hätte ändern sollen.«
»Ich verstehe nicht, warum du unzufrieden bist. Man nennt dich bereits den fränkischen Wolf, den großen Retter aus dem Hause Vestfold. Im Kampf an der Seite unseres Vaters und Onkel Nialls bist du zu Ruhm und Ehren gelangt. Und du hast die Dänen an der fränkischen Küste so triumphal besiegt, dass man immer noch davon spricht.«
Conar lehnte sich in der Wanne zurück und tauchte seinen Kopf unter, dann richtete er sich wieder auf und rieb das Wasser aus seinen Augen. »Etwas zu erobern und es dann festzuhalten - das ist zweierlei«, seufzte er müde. »Seit ich auf Graf Manons Einladung an
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