03 - Der Herr der Wölfe
bleiben.
In der Halle sah er, dass auch seine Brüder Bryce, Bryan und Eric bequeme Kleidung gewählt hatten. Seine Schwester Daria - nicht so groß wie Melisande, aber elegant und würdevoll - erschien in einem dottergelben Kleid mit goldbrauner Tunika. Diese Farben ließen ihre blauen Augen noch heller strahlen. Lebhaft unterhielt sie sich mit ihren Brüdern, und es fiel Conar wieder einmal auf, wie hübsch sie aussahen -Bryan und Bryce dunkelhaarig wie die Mutter, Eric und Daria goldblond wie der Vater. Alle in dieser Familie hielten fest zusammen. Manchmal waren sie wie eine Insel gewesen, vereint gegen jene, die ihr nordisches oder irisches Erbe verdammten.
Brenna und Mergwin saßen am Feuer, in ein angeregtes Gespräch vertieft. Sie hatten sich lange nicht gesehen, und jetzt gab es natürlich viel zu erörtern. Sicher planen sie unsere Zukunft, dachte Conar belustigt. Swen, der ihn ebenso wie Brenna auf dieser Reise begleitet hatte, scherzte mit Bryce und Bryan.
Lächelnd ging Rhiannon auf Conar zu und küsste seine Wange, dann hängte sie sich bei ihm ein. »Du wirst neben mir sitzen, mein reiselustiger Schwager. An deiner anderen Seite platziere ich Melisande und links von ihr Bryce.«
Er neigte sich hinab und flüsterte ihr ins Ohr: »Und wo steckt meine Liebste?«
»Oh … « Rhiannon hob die Brauen. »Sie müsste jeden Augenblick herunterkommen.«
Aber Melisande ließ sich nicht blicken. Rhiannon zögerte die Mahlzeit hinaus, und schließlich murmelte sie nervös, sie würde eine Dienerin nach oben schicken, die sich nach dem Befinden der jungen Frau erkundigen sollte.
Wenig später kehrte das Mädchen zurück und verneigte sich vor der Hausherrin. »Die Dame lässt Euch bitten, ohne sie mit dem Essen zu beginnen. Sie wurde plötzlich* krank und muss sich entschuldigen. Nun versucht sie zu schlafen.«
Drückendes Schweigen erfüllte die große Halle, und Conar spürte, wie sich alle Blicke voller Unbehagen auf ihn richteten. »Es fällt mir schwer zu glauben, dass sie diese Mahlzeit tatsächlich versäumen möchte.« Er zwang sich zu einem höflichen Lächeln und verbeugte sich vor Rhiannon. »Verzeih mir, ich will selbst nach ihr sehen. Vielleicht kann ich sie doch noch dazu überreden, uns Gesellschaft zu leisten.«
Von Zorn getrieben, rannte er die Treppe hinauf und nahm immer zwei Stufen auf einmal. Die schwere Holztür am Ende des Flurs war verschlossen, und er hätte sich am liebsten mit der Schulter dagegen geworfen. Doch dann holte er tief Luft, klopfte an und hörte ein leises Stöhnen. »Ich bin’s, Melisande! öffne die Tür!«
»Unmöglich! Ich kann nicht aufstehen. «
Er runzelte unschlüssig die Stirn. Nein, im Haus seines Bruders wollte er keine Türen aufbrechen. Aber er würde nicht ohne seine Frau in die Halle zurückkehren. Und so eilte er in sein eigenes Zimmer, schob den Wandvorhang beiseite und öffnete die Verbindungstür.
Lautlos betrat er den Nebenraum. Auch dort musste er einen Gobelin zur Seite ziehen. Melisande sah und hörte ihn nicht. Sie saß am Fußende des Betts in einer schönen silbrigen Tunika über einem blauen Gewand und bürstete ihr langes Haar. Dabei starrte sie angstvoll zur Tür, die in den Flur führte, als erwartete sie, dass ihr Mann sich jeden Augenblick gewaltsam Zugang verschaffen würde.
Eine Zeitlang stand er reglos mit verschränkten Armen da und beobachtete sie. Schließlich erhob sie sich, schlenderte zu einem Fenster und schaute in den Hof hinab. Die letzten Sonnenstrahlen weckten bläuliche Glanzlichter in ihrem Haar, und Conar verspürte dasselbe Verlangen wie nachmittags am Bach. Immer deutlicher wurde er sich der fesselnden Sinnlichkeit bewußt, die dieses schöne Mädchen ausstrahlte. Meine feindselige Frau, dachte er. Offenbar nahm sie ihr Versprechen, was diesen Abend betraf, nicht ernst. Aber wie er zugeben musste, war sie tatsächlich blass. Sie schien angstvoll abzuwarten, welche Schritte er jetzt unternehmen würde … Als sie sich umdrehte, sah sie ihn, zuckte verwirrt zusammen und stieß einen leisen Schrei aus. Ihr Blick irrte zur Flurtür, dann biss sie sich auf die Unterlippe.
»Schade, dass du so krank bist«, begann er spöttisch.
Jetzt stieg dunkle Röte in ihre Wangen. »Wahrscheinlich, weil ich völlig durchnässt war … Es tut mir so leid. Wenn du mir nur heute abend verzeihen würdest … «
»Natürlich.« Er ging zu Melisande und berührte ihr Gesicht. »Glücklicherweise hast du kein Fieber, meine Liebe,
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