03 - Der Herr der Wölfe
der Küste Frankreichs landete und siegreich für seine Festung kämpfte, höre ich immer neue Gerüchte über ein gewaltiges Dänenheer, das sich versammelt, um in die fränkischen Königreiche einzudringen und bis nach Paris vorzurücken.«
»Diese Gerüchte sind auch mir zu Ohren gekommen«, erwiderte Eric. »Alfred hat sein südliches Königreich sehr wirksam verteidigt, und die Dänen sind es leid, ihn anzugreifen. Deshalb schauen sie sich nach neuen Gefilden um. In Frankreich sieht es anders aus als bei uns. Dort gibt es keine einige Front. Das Land ist zersplittert, seit es zwischen Lothar und seinen Brüdern, Charlemagnes Erben, aufgeteilt wurde. Die Macht liegt in den Händen der Adelsherrn, die ihre starken Festungen halten, so wie du.«
»Vielleicht. Ich habe ein Bündnis mit einem gewissen Grafen Odo geschlossen, und ich glaube, wir werden das Land erfolgreich verteidigen. Aber es gibt auch Feinde.«
»Zum Beispiel Geoffrey, der Sohn Geralds, der benachbarte Graf?«
Erstaunt hob Conar die Brauen. »Woher weißt du das?«
»Viele Reisende kommen zu uns, Gaukler, Sänger, Lautenspieler - ganz zu schweigen von unserer großen, redseligen Familie. Übrigens wirst du in einem langen Gedicht gewürdigt, das ausführlich schildert, wie du deine Frau aus den Armen eines Ungetüms befreit hast.«
»Tatsächlich?«
Eric stand auf, um Conars Becher nachzufüllen. »Während dieses Werk vorgetragen wurde, beobachtete ich Melisande. Sie schaute so unglücklich aus, als wäre sie von einem Ungetüm ans andere geraten.«
Obwohl Conar wusste, dass sein Bruder scherzte, umklammerte er krampfhaft den Wannenrand und konnte seinen Zorn nur mühsam bezähmen. Am liebsten wäre er aus dem Wasser gesprungen, um Eric zu Boden zu werfen, so wie damals in der Kinderzeit, als sie sich unentwegt gebalgt hatten. Aber er lehnte sich zurück und legte einen Waschlappen über seine Lider. »Wenn ich mich recht entsinne, war deine Frau bei der ersten Begegnung keineswegs von dir begeistert. Und falls unsere redselige Familie die Wahrheit erzählt - hat sie nicht deinen Schenkel mit einem Pfeil durchbohrt?« Er spürte eine Hand auf seinem Scheitel, die ihn nach unten drücken wollte. Rasch verschwand er im Wasser, tauchte prustend wieder auf und warf den nassen Lappen auf die schöne Tunika seines Bruders.
»Oh, der Segen einer vielköpfigen Familie!« murmelte Eric und verdrehte die Augen.
Conar grinste, dann wurde er wieder ernst. »Meine Frau glaubt, ich hätte sie grausam behandelt.«
»Man merkt ihr nicht an, was sie denkt. Sie ist nett und höflich, geht mir aber aus dem Weg. Um so lieber ist sie mit Rhiannon, Daria und Bryce zusammen. Sie spielt gern mit den Kindern, und sie verstehen sich großartig mit ihr. Aber so nahe sie Daria und Rhiannon auch steht, ich bezweifle, dass sie ihnen ihr Herz ausschüttet. Immerhin ist Daria deine Schwester, und Melisande weiß, wie eng alle Mitglieder unserer Familie verbunden sind. Deshalb kann sie dem Mädchen nicht vollends vertrauen. Übrigens, deine Frau ist ungewöhnlich klug und begabt. Ich sah sie im Hof mit Bryce fechten, die beiden lernen sehr viel voneinander.«
Ärgerlich schüttelte Conar den Kopf. »An dem Tag, als ich sie kennenlernte, trug sie ein vergoldetes Kettenhemd und führte ihre Truppe an - und fiel direkt in die Hände des Feindes. Verwundert es dich, dass ich sie ständig unter Aufsicht stellen muss?« Plötzlich runzelte er die Stirn. »Und sie erteilt nicht nur Fechtunterricht. Als ich heute zum Bach kam, umgarnte sie gerade Rhiannons jungen Verwandten.«
»Gregory?«
»Sie brachte ihm die Grundbegriffe des Liebesspiels bei.«
»Was?« rief Eric erschrocken.
»Keine Angst. Ich glaube, sie wollte ihn nur veranlassen, sie vor mir zu retten. Der junge führte sicher nichts Böses im Schild. Er bat mich sofort um Verzeihung.«
»Eigentlich ist er noch ein Kind.« Eric seufzte. »Aber in diesem Alter sind wir beide schon oft mit unserem Vater geritten, da er wusste, welch harte Kämpfe auf uns zukamen. Übrigens holt Alfred jetzt alles nach, was er in jenen schweren Zeiten an Bildung versäumt hat. Er verbringt sehr viel seiner Zeit mit Musikern, Mathematikern und anderen Gelehrten. Wie ich höre, versucht er, Gregory für das Priesteramt zu begeistern, aber letzten Endes wird er ihm die Entscheidung überlassen. Und wenn der Junge Interesse an der holden Weiblichkeit zeigt … jedenfalls muss ich mich bei dir entschuldigen, Conar, denn deine Gräfin
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