03 - Der Herr der Wölfe
Blumen geschmückt. Aus allen Landesteilen waren Leute erschienen, um der Zeremonie beizuwohnen. Auch Geoffrey. Melisande sah ihn aus den Augenwinkeln, als Odo sie zwischen den Gästen zum Altar führte, wo Conar wartete - in dunkler Hose, schwarzen Stiefeln, das Hemd und die Tunika strahlend weiß, mit weißem Fuchsfell verziert, ebenso wie der hellblaue Umhang.
Seite an Seite knieten sie nieder, und Melisande fühlte sich einer Ohnmacht nahe, während Bischof LeClerc verkündete, sie seien bereits Mann und Frau und an diesem Morgen in die Kirche gekommen, um ihre Liebe vor Gott und den Menschen neu zu bestätigen. Und niemand dürfe die heilige Gemeinschaft der Ehe leichtfertig eingehen, keiner dieses Band zerreißen. Danach folgte die Messe, die kein Ende zu nehmen schien. Schließlich wurde Conar gebeten, sein Gelübde zu sprechen, klarer Stimme tat.
Als der Bischof sich zu Melisande wandte und von ihr das gleiche forderte, konnte sie kaum atmen. Conar betrachtete sie und war wieder einmal verblüfft über ihrer Schönheit. Sie trug ein silbriges Kleid, das sich eng an ihren Körper schmiegte, und einen Schleier, bekränzt von einem juwelenbesetzten Band. Das ebenholzschwarze Haar schimmerte durch hauchdünnen Stoff. Ihre großen, tiefvioletten Augen schienen ins Leere zu starren. Während ganz Frankreich wartete, kniete sie schweigend neben ihm. Seine Hand umfasste ihre Finger noch fester, und sie rang nach Luft. Endlich kam das Gelübde über ihre Lippen.
Er zog seinen alten Ring von ihrem Daumen, wo er so lange gesteckt hatte, und streifte ihn wieder über seinen eigenen Finger. Seine Frau erhielt einen neuen Reif aus ziseliertem Gold, der ihren linken Mittellfinger umschloss. Ihre Blicke trafen sich, und vielleicht verrieten seine Augen, welch eine triumphierende Freude er empfand, die ihren verengten sich. Lächelnd neigte er den Kopf und dachte an die Nacht, die ihm bevorstand. Er hatte nicht geahnt, was es ihn kosten würde, auf seine ehelichen Rechte zu verzichten. Manchmal hätte er Bischof LeClerc am liebsten umgebracht, ehe der heilige Mann die Zeremonie durchführen konnte.
Wieder schaute er sie von der Seite an und bewunderte ihre Schönheit. Seltsame Ereignisse verbanden sie miteinander. Natürlich bedeutete sie ihm etwas. Nein, es war mehr - viel mehr Niemals konnte er sie gehen lassen, denn das würde er nicht ertragen. Er wollte sich gar nicht ausmalen, wie es wäre, sie einmal verletzt zu sehen oder in den Armen eines anderen. Ein, Leben ohne sie wäre unvorstellbar.
Sie hatte ihm die Hölle auf Erden bereitet, aber auch den Himmel. Er liebte sie. Schon vor all den Jahren hatte sie mit ihrem eigenwilligen Wesen und ihrem Mut sein Herz erobert.
Mit ihrem gefährlichen Mut … Aber jetzt gab es nur mehr wenig zu befürchten. In den Festungsmauern konnte ihr nichts zustoßen. Mochte Geoffrey auch die Wälder durchstreifen. Um ihrem Freiheitsdrang zu genügen, würde Conar mit ihr ausreiten oder Schiffsreisen unternehmen. Warum fröstelte er trotzdem? Sie war seine Frau, sie würde stets in seiner Nähe bleiben, und er liebte sie. Eines Tages würde er ihr das vielleicht sogar sagen. Oder besser nicht. Immer wieder suchte sie Mittel und Wege, um Macht über ihn auszuüben. Und er wagte nicht, ihr die Oberhand zu schenken, indem er ihr sein Herz offenbarte. Sie würde es in Stücke reißen.
Trotzdem musterte er sie voller Zärtlichkeit, sehnte sich nach dem Ende der Festlichkeiten, nach der Nacht. Würde sie ihr Wort halten? Davon hatte er in den Stunden vor diesem Morgen geträumt.
Plötzlich erfassten ihn Schuldgefühle. Das Versprechen, das er ihr gegeben hatte, bedeutete nichts. Aber er war nur auf ihre Forderung eingegangen, und ihre Eifersucht auf Brenna erstaunte und beglückte ihn.
Endlich war die Zeremonie vorbei. Sie erhoben sich, und unter dem jubel der Menge stillte Conar zumindest einen Teil seines Verlangens, indem er Melisande in die Arme nahm und sie küsste - mit jener Leidenschaft, die er so lange unterdrückt hatte. Dann flüsterte er: »Heute nacht«, und spürte, wie sie zitterte.
Sie antwortete nicht, und sie verließen den Altar, gingen durch die Gästeschar, nahmen Glückwünsche von Freunden und Verbündeten entgegen. Wie Conar feststellte, hatten sich Odos Hoffnungen erfüllt. Viele große Adelsherren waren erschienen.
Nach der Rückkehr in Odos Halle wurde das Paar für einige Zeit getrennt. Conar sah sich von Männern umringt, die sich für seine Schiffe
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