03 - Der Herr der Wölfe
kümmerte ihn das gar nicht. Conar hatte ihren Vater gerächt, und er schien es einfach für ihre Pflicht zu halten, diese Ehe zu führen, um ihr Zuhause und die benachbarten Ländereien zu schützen.
»Meine Dame Melisande!«
Sie zügelte Warrior und bemerkte, dass Bischof LeClerc nach ihr gerufen hatte, der hochverehrte Geistliche, der die Zeremonie in Rouen vornehmen sollte. Gerade jetzt, da sich ihr Herz in Aufruhr befand, brauchte sie einen Kirchenmann am allerwenigsten. Sie wusste nicht einmal mehr, ob sie überhaupt noch an den christlichen Gott glaubte, denn Er hatte sie am Todestag ihres Vaters verlassen und ihr seither nie mehr beigestanden.
Aber sie lächelte und erwartete den Bischof. Er hatte üppiges, schneeweißes Haar und ein freundliches, zerfurchtes Gesicht, das sie an Ragwald erinnerte. Tiefe Weisheit sprach aus seinen Augen, aber auch Humor, eine Eigenschaft, die bei einem so frommen Mann verwunderte. »Meine Liebe, fühlt Ihr Euch in der Lage, dies alles durchzustehen?« fragte er.
»Ich erfreue mich ausgezeichneter Gesundheit. «
»Dafür müssen wir Gott danken.« Seine grünen Augen funkelten voller Belustigung. »Ich wollte wissen, ob Ihr diese Reise frohen Mutes unternehmt.« Als sie schweigend den Kopf senkte, fuhr er fort: »Liebt Ihr Euren Mann?« Sie starrte ihn verwirrt an, und sein sanftes Lächeln vertiefte sich. »Wenn ja, dürft Ihr Euch glücklich schätzen, und wenn er Eure Gefühle erwidert, ruht ein noch größerer Segen auf Euch.«
»Ich glaube, Graf Odo hat dies alles geplant.«
»Ja, er ist sehr besorgt um das Wohl unseres Landes und des Volkes, so wie einst Euer Vater. Aber … « Er zuckte die Achseln. »Überdenkt Euer Gelübde noch einmal, meine Liebe. Gesellt Euch während der Reise zu meinem Tross und nehmt jeden Abend an unseren Gebeten teil.«
Sofort erkannte sie, was er ihr anbot - Zuflucht für die Nächte vor der Ankunft in Rouen. Conar wäre machtlos gegen die Kirche, mit der er sich zu verbünden trachtete. Beinahe hätte sie gelächelt, aber dann neigte sie den Kopf und antwortete ernsthaft: »Vielleicht wird mir die Zwiesprache mit Gott helfen.«
»Denkt darüber nach und gebt mir Bescheid, Melisande.«
Am ersten Abend stiegen sie in einem Kloster ab, dem einzigen Gebäude weit und breit, das geräumig genug war, um die große Reisegruppe zu beherbergen. Den Kriegern und Pferden standen ausgedehnte Wiesen und Felder zur Verfügung, den Adelsherren und ihren Damen ausreichende Quartiere. Tagsüber hatte Melisande ihren Mann kaum gesehen, da er mit Brenna und Ragwald geritten war.
Auch jetzt, während die Mönche dienstbeflissen das Essen servierten, saß er neben Brenna. Er kam erst zu seiner Frau, als sie fertig war und griff nach ihrer Hand. »Komm! Man hat uns das schönste Zimmer in diesem spartanischen Haus gegeben. «
Sie versuchte vergeblich, ihm ihre Finger zu entziehen. »Diese Nacht werde ich nicht mit dir verbringen.«
»Was?«
»Bischof LeClerc hat mich eingeladen, bis zur Ankunft in Rouen bei seinem Gefolge zu bleiben und Gottes Rat zu suchen. Denn was wir vorhaben, ist ein ernster Schritt und muss gründlich erwogen werden.«
»Seit Jahren bist du meine Frau … «, begann er ärgerlich , dann unterbrach er sich und zog sie auf die Beine, so dass nur sie allein seine geflüsterten Worte hörte. »Willst du das wirklich, Melisande?«
»Allerdings, und du musst dich damit abfinden.«
»O nein. Mit gar nichts muss ich mich abfinden. Wenn ich dich jetzt einfach mitnehme, würde es niemand wagen, mich zurückzuhalten.« Nach einer kleinen Pause lockerte er seinen Griff. »Aber vielleicht brauchen wir beide etwas Zeit, um über unsere Lage nachzudenken. Du wirst die Ruhe genießen, die du anstrebst. Und ich werde von einer Frau träumen, die nicht allnächtlich gegen mich kämpft.«
Er ließ sie los. Zu Melisandes Überraschung gaben ihre Knie nach, und sie sank auf die rauhe Holzbank zurück. Wenig später ging sie in einer kargen Mönchszelle zu Bett und versuchte sogar zu beten. Doch sie fand keine Worte. Tränen flossen über ihre Wangen, als sie sich fragte, wo Conar schlief.
***
Melisande hätte bestritten, sie würde sich stolz und eigensinnig verhalten. Aber nur ihr Stolz und ihr Entschluss, Conar nicht mehr z u geben, als er sich bereits genommen hatte, hielten sie von. ihm fern. Es dauerte drei weitere Nächte, bis sie Rouen erreichten. In jeder dieser Nächte stand sie, Höllenqualen aus. Tagsüber versicherte sie
Weitere Kostenlose Bücher