03 Die Auserwählten - In der Todeszone
wieder einkriegen? Das alte Ekel hat gerade gesagt, dass du allmählich von innen verrotten wirst, bis du ein unmenschliches Monstrum bist. Wie kannst du –?«
»Der kann mich mal mit seiner beschissenen Seuche! Ich hätte nie gedacht, dass ich überhaupt so lange durchhalten würde, Mann. Und so toll ist unser Leben ja nun auch wieder nicht.«
Thomas konnte nicht sagen, ob sein Freund das ernst meinte oder ob er nur so hart tat. Aber das gruselige Grinsen verschwand nicht aus Newts Gesicht, weshalb Thomas sich auch zu einem Lächeln zwang. »Wenn es dir nichts ausmacht, langsam durchzudrehen und zum Kinderfresser zu mutieren, bitte. Mir soll’s recht sein.« Noch nie waren ihm Worte so leer vorgekommen.
»Gut, das«, erwiderte Newt, aber das Lächeln verschwand.
Thomas wandte seine Aufmerksamkeit den restlichen Leuten im Raum zu. Der Kopf schwirrte ihm wie verrückt. Einer der Lichter – ein Junge namens Jackson, den er nicht besonders gut kannte – starrte mit leerem Blick vor sich hin, ein anderer versuchte sich schnell die Tränen wegzuwischen. Ein Mädchen aus Gruppe B hatte rote, verheulte Augen – eine Gruppe ihrer Freundinnen hatte sich um sie geschart und versuchte sie zu trösten.
»So, das hätten wir dann auch erledigt«, meinte Rattenmann. »Ich wollte es euch gern selbst sagen, um euch eindringlich daran zu erinnern, dass dieses ganze Großprojekt das Ziel hat, eine Heilmethode zu finden. Die meisten von den Nicht-Immunen befinden sich im Frühstadium Des Brands, und ich habe vollstes Vertrauen, dass ihr Hilfe erhalten werdet, bevor die Krankheit zu weit fortschreitet. Eure Teilnahme war notwendig für die Durchführung der Experimente.«
»Und was ist, wenn ihr’s verkackt?«, fragte Minho.
Rattenmann schenkte ihm keine Beachtung. Er trat an das nächststehende Bett, langte nach oben und legte eine Hand an das grausig aussehende Metallding, das von der Decke hing. »Dieses Gerät ist eine große Errungenschaft der medizinischen Forschung – wir sind sehr stolz darauf. Es nennt sich Retraktor und führt die Operation aus. Der Apparat wird aufs Gesicht gesetzt – ich garantiere euch, dass ihr hinterher noch genauso hübsch aussehen werdet wie jetzt. Aus dem Apparat werden dünne Drähte ausgefahren und in den Gehörgang eingeführt. Das Implantat in eurem Gehirn wird dann über die Ohren entfernt. Von unseren Ärzten und Krankenschwestern erhaltet ihr ein Beruhigungsmittel und ein Mittel gegen eventuelle Schmerzen.«
Er ließ den Blick durch den Raum schweifen. »Während eure Nerven sich selbst reparieren und eure Erinnerungen zurückkehren, fallt ihr in einen tranceartigen Zustand – es wird ein wenig so wie bei der Verwandlung damals im Labyrinth sein. Aber bei weitem nicht so unangenehm, das verspreche ich. Wir haben mehrere Operationsräume, und ein ganzes Team von Ärzten steht bereit. Ich bin mir sicher, dass ihr Tausende von Fragen habt. Die meisten werden sich allerdings erübrigen, wenn ihr euer Gedächtnis wiederhabt. Ich hebe mir die restlichen Antworten also für nach dem Eingriff auf.«
Rattenmann legte eine weitere Pause ein, dann meinte er: »Ach ja, ich muss nachsehen, ob die Mediziner so weit sind. In der Zwischenzeit könnt ihr eure Entscheidung treffen.«
Als er den Raum durchquerte, herrschte außer dem Swisch-swisch seiner weißen Synthetikhose Totenstille im Raum. Er verschwand durch die Stahltür und verschloss sie hinter sich. Ein Riesenlärm brach los, als alle durcheinanderredeten.
Teresa hetzte auf Thomas zu – Minho folgte ihr auf dem Fuß. Sie steckten die Köpfe zusammen, um sich in dem Stimmengewirr verständigen zu können. Minho sagte: »Ihr beiden Strünke wisst mehr und erinnert euch an mehr als alle anderen. Ich hab nie ein Geheimnis draus gemacht, Teresa – ich mag dich nicht. Aber deine Meinung will ich trotzdem hören.«
Thomas war genauso neugierig darauf, was Teresa zu sagen hatte. Er nickte seiner früheren Freundin zu und wartete darauf, dass sie redete. Ein kleiner Teil von ihm hegte immer noch die unsinnige Hoffnung, sie würde sich gegen das aussprechen, was ANGST von ihnen verlangte.
»Wir sollten es tun«, sagte Teresa. Und Thomas war nicht erstaunt darüber. »Ich habe das Gefühl, es ist das Richtige. Wenn wir uns intelligent verhalten wollen, brauchen wir unser Gedächtnis. Dann können wir uns entscheiden, was wir als Nächstes tun sollen.«
Thomas versuchte verzweifelt, sich einen Reim auf das Ganze zu machen.
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