03 - Feuer der Liebe
beschwichtigenden Handbewegung ab. »Ich spreche nicht von
Ihnen, Jennings. Ich bin sicher, Thurlows Testament enthält nichts Spannendes.
Ich meine, was willst du nun tun, Kitty?«
»Tun?« Kitty Dewland schien die
Frage gar nicht zu begreifen. »Ich werde ... ich werde mich auf mein Zimmer
zurückziehen und dann kehren wir nach London zurück.«
»Als Lionel starb, saß ich den
ganzen Tag im Haus herum und weinte wie ein Schlosshund«, sagte Lady Sylvia
forsch. »Es war eine schreckliche Zeit. Versteh mich nicht falsch, weinen kann
einem Menschen gut tun. Manchmal muss es sein. Aber das Haus, in dem du mit
deinem Mann gelebt hast, ist dafür nicht der richtige Ort.«
Kittys Augen füllten sich mit
Tränen. »Oh, ich könnte niemals ...«
»Doch, das könntest du«, fuhr Lady
Sylvia sie an. »Du bist sowieso sehr anfällig für melancholische Stimmungen,
Kitty. Und ich werde nicht tatenlos zusehen, wie du dich in eine Gießkanne
verwandelst. Wir werden das Land verlassen. Du kannst dir in der Schweiz ebenso
gut die Augen aus dem Kopf weinen wie in London.«
Kitty begann zu schluchzen. »Wie
kannst du auch nur vorschlagen, dass ich das Haus verlasse, in dem der arme
Thurlow so glücklich war? Du warst noch nie so gefühllos, Sylvia!«
»Ich habe sehr wohl Gefühle«,
erwiderte Lady Sylvia. »Ich will nur nicht, dass du kränkelst. Du wirst noch
Trübsal über dieses Haus bringen. Vergiss nicht, wir sind Witwen. Wir haben in
der Nähe eines frisch vermählten Paares nichts zu suchen. Glaubst du, Erskine
und Gabrielle könnten jemals fröhlich werden, wenn du bei jeder Mahlzeit in
Tränen ausbrichst?«
Gabby warf Lady Sylvia einen
empörten Blick zu. »Quill und ich würden nie wollen, dass Sie wegen uns Ihr
Haus verlassen, Lady Dewland. Wir haben außerdem nicht vor, besonders fröhlich
zu sein«, fügte sie hinzu.
Lady Sylvia schnaubte abfällig. »Ob
ihr nun vorhabt fröhlich zu sein oder nicht — wenn Kitty den ganzen Tag weinend
herumsitzt, wird bestimmt nichts daraus.«
Kitty trocknete sich mit dem
Taschentuch, das Quill ihr reichte, die Augen. »Du hast Recht, Sylvia«, sagte
sie schließlich. »Das Letzte, was ich möchte, ist, der lieben Gabrielle und
Quill eine Last zu sein.«
»Sie wären keine Last!«, rief Gabby.
»Ich fände den Gedanken schrecklich, dass Sie wegen uns das Haus verlassen. Wir sollten ausziehen.«
Kitty brachte ein kleines,
tränenersticktes Lachen zustande. »Sie wären Ihrer Mutter wahrlich ein Trost
gewesen, Gabrielle. Sie werden nicht ausziehen, denn dieses Haus gehört von nun
an Quill. Ich nehme an, mir gehört nun das Witwenanwesen?« Sie blickte Mr
Jennings fragend an, der geheimnisvoll die Lippen spitzte und schließlich
nickte. »Dann werde ich mich auf das Witwenanwesen zurückziehen und somit
niemandem im Weg sein.«
»Du meine Güte, Kitty, du machst
mich wahnsinnig. Ich bekomme noch Herzrasen und dazu bedarf es einiges«, fuhr
Lady Sylvia sie an. »Thurlow würde nicht wollen, dass du dich auf dem Land
verkriechst wie eine dumme Pute! Wenn du nach unserer Rückkehr vom Kontinent
immer noch wie eine Eremitin leben möchtest, bitte sehr. Aber ich muss
unbedingt noch einmal Paris sehen, bevor ich sterbe, und du wirst mich
begleiten. Und wenn wir wegen der Eskapaden dieses aufgeblasenen französischen
Winzlings, diesem Napoleon, nicht nach Frankreich können, reisen wir eben so
lange in Europa herum, bis seine Landsleute ihn hinausgeworfen haben.« Jeder
rebellische Franzose hätte sich bei Lady Sylvia noch etwas Schneid abschauen
können.
»Oh, das könnte ich nicht«, sagte
Kitty verzagt.
Quill beugte sich zu ihr herab und
tätschelte ihre Hand. »Ich finde, du solltest fahren, Mutter. Ein Ortswechsel
würde dir gut tun.«
»Es spielt wohl tatsächlich keine
Rolle, wo ich bin«, erwiderte Kitty und verfiel in den gleichen benommenen
Zustand wie vor der Beerdigung.
»Sehr gut«, sagte Lady Sylvia und
nickte Quill zu. »Ich muss sie auf den Weg bringen, denn sonst wird sie sich
einfach von der Außenwelt zurückziehen. Mir würde das natürlich niemals passieren,
aber Kitty ist sehr zart besaitet. Das war sie schon immer, schon als Mädchen.«
»Darf ich dich begleiten, Mutter?»Peter
setzte sich neben seine Mutter und strich ihr über die Hand.
Stumme Tränen fielen auf ihre
schwarzen Handschuhe. Ihr Ältester zog ein weiteres Taschentuch aus seiner
Jacke und reichte es ihr. Kitty hatte Mühe zu sprechen.
»Ich denke, es wäre das Beste, wenn
Peter mit dir
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