03 - Feuer der Liebe
Sally. Sally macht sauber. Und dann gibt es noch Sherman.
Sherman hilft an der Tür, aber er ist sehr, sehr alt und schläft tagsüber oft.
Mama sagt, es ist gemütlicher mit weniger Fremden im Haus, aber wir müssen alle
unseren Teil beitragen, und heute Morgen habe ich nach dem Frühstück meinen
Teller selber in die Küche getragen.« Sie holte Luft.
Lucien hörte ihr mit großer
Belustigung zu. »Mrs Ewing scheint eine sehr kühne Frau zu sein«, sagte er und
zwinkerte Gabby zu. »Ich frage mich nur, warum sie so furchtbar wichtig ist —
und auf welche Weise sie entscheidet, was die Menschen in London tragen!«
»Sie schreibt es auf«, erklärte
Phoebe. »Mama schreibt und schreibt, und dann lesen die Leute, was sie
geschrieben hat, und sie wagen es nicht, etwas anderes zu tragen als das, was
Mama ihnen erlaubt hat. Sie weiß alles über Kleider«, fügte sie hinzu. »Ich
habe ihr von den Biesen an meinem neuen Kleid erzählt, und sie fand, dass das
bezaubernd klingt.«
Gabby blickte verwirrt über Phoebes
Kopf hinweg.
»Vielleicht schreibt Mrs Ewing für
ein Modemagazin«, warf Lady Sylvia ein. »Es gibt einige, wissen Sie. Das
einflussreichste ist La Belle Assemblée.«
»Das, was Mama schreibt, wird in
ganz London gelesen«, berichtete Phoebe. »Sie sagt den Menschen, wie sie sich
benehmen und was sie tragen sollen.«
»Ja, sehr wahrscheinlich La Belle
Assemblée«, sagte Lady Sylvia. »Nimmt deine Mutter an sozialen Anlässen
teil?«
»Ich glaube nicht«, erwiderte
Phoebe.
In diesem Moment schob Codswallop
die Türen zum Salon auf. »Miss Jerningham, Sie haben einen Besucher. Colonel
Warren Hastings, der englische Sekretär des Generalgouverneurs von
Indien.« Seine Stimme zitterte fast vor Aufregung. »Ich habe ihn in die
Bibliothek geführt.«
»Verdammt«, sagte Gabby zu Luciens
Überraschung. »Codswallop, ist Mr Dewland da?«
»Nein, ich bedaure, Mr Dewland ist
nicht zu Hause.«
»Sie könnten diesen Hastings wieder
fortschicken«, sagte Lady Sylvia gedehnt. »Es besteht keinerlei Grund, diesen
Burschen vom Militär ohne den Hausherrn zu empfangen.«
Quill war nicht zum Frühstück
erschienen, obwohl Gabby absichtlich getrödelt hatte. Sie seufzte. »Mr Boch,
ich muss mich entschuldigen, aber ich fürchte, ich sollte Colonel Hastings
nicht warten lassen.«
Lucien war bereits aufgestanden.
»Bitte, verschwenden Sie keinen weiteren Gedanken daran. Ich muss heute Morgen ohnehin
noch einige Besuche machen. Aber ich frage mich, ob ich Phoebe
nach Hause geleiten dürfte?«
»Würden Sie das tun? Das wäre großartig!«,
rief Gabby. Lucien schenkte ihr ein belustigtes, vertrauliches Lächeln.
»Ich gebe zu ich bin neugierig auf
die wichtige Mrs Ewing und freue mich schon darauf, sie kennen zu lernen.«
Lady Sylvia sah Phoebe nach, die zu
dem Tigertisch hinübergelaufen war, um sich von ihm zu verabschieden. »Das ist
kein großes Geheimnis«, sagte sie mit gesenkter Stimme. »Phoebes neue Mama ist
Emily Thorpe, zumindest war sie das früher einmal. Von den Thorpes in
Herefordshire. Es gab einen Skandal und darauf hat Thorpe beide Schwestern aus
dem Haus geworfen. Wenn ich es mir recht überlege, war es nicht die ältere,
die Ärger hatte, sondern die jüngere, Louise. Ich habe sie nie persönlich
kennen gelernt, aber ich weiß, dass die ältere vor fünf oder sechs Jahren plötzlich
zur besagten Mrs Ewing wurde. Ich wusste jedoch nicht, dass sie jetzt für
ein Modeblättchen schreibt.«
Gabby fand Lady Sylvias Bemerkung,
Emily Thorpe sei »plötzlich« zu Mrs Ewing geworden, ein wenig seltsam, aber sie
kam nicht dazu, noch einmal nachzufragen. Außerdem war dieses Gespräch nicht
für Phoebes Ohren geeignet.
Lucien schien ganz ihrer Meinung zu
sein, denn er verbeugte sich mit einer eleganten Bewegung vor Lady Sylvia, ohne
auf ihren Bericht über die Thorpe-Familie einzugehen.
Während sie sich verabschiedete,
beugte sich Phoebe vor und flüsterte Gabby etwas ins Ohr. »Sie haben doch nicht
den geheimen Besuch vergessen, den wir machen werden, nicht wahr, Miss Gabby?«
»Es ist nicht höflich, in
Anwesenheit anderer zu flüstern«, sagte Gabby und drückte ihre Hand. »Aber
nein, ich habe ihn natürlich nicht vergessen. Ich werde Mrs Ewing eine
Nachricht zukommen lassen und sie fragen, ob ich dich nächste Woche einen
Nachmittag ausborgen darf. Soll ich?«
Als sie allein waren, wandte sich
Gabby an Lady Sylvia. »Würden Sie mich in die Bibliothek begleiten, Lady
Sylvia?«
»Zuerst sollten
Weitere Kostenlose Bücher