03 - Geheimagent Lennet und die Saboteure
sehen?«
»Ach ja, bitte", flötete Clarisse, alias Claire, und sah dem Gastgeber mit gut gespieltem Babyblick in die Augen.
Mr. Watson ging kurz hinaus und kehrte mit einem Stück Käse zurück. Größe und Form des Musters entsprachen ganz genau dem Käsestück, das die beiden in Watsons Haus in Leyton in der Küche gefunden hatten!
Clarisse kostete einen kleinen Happen von dem Käse und sagte: »Oh, wirklich sehr schmackhaft.«
Lennet war nicht so höflich und erklärte, der Käse habe einen leichten Stich und erinnere an Seife. Als Schöpfung eines Laien sei er jedoch vorzüglich.
»Moment mal!« ereiferte sich Watson, »von Laie kann keine Rede sein. Ich bin Spezialist auf diesem Gebiet, und außerdem arbeitet hier die ganze Woche lang ein Pächter, der ebenfalls viel von der Sache versteht.«
Mr. Watson bat die beiden, ihm zu folgen.
»Haben Sie für Ihre Ziegen auch eine Versicherung abgeschlossen?« wollte der Franzose wissen, als man zum Stall hinüberging.
»Aber selbstverständlich", entgegnete Mr. Watson, »sie sind durch eine Gruppenversicherung geschützt.«
Die Unterkunft der Ziegen war geradezu ein Luxus-
Appartement. Der betonierte Stall wies alle nur denkbaren Annehmlichkeiten auf: gedämpftes Licht, Ventilatoren, moderne Melkgeräte - und Musik, die unaufdringlich den Raum »berieselte". Es war ein Pracht- und Paradestück von Ziegenstall.
»Wozu dient die Musik, Mr. Watson?« fragte Clarisse.
»Die Statistiken beweisen, daß Ziegen fünf Prozent mehr Milch am Tag produzieren, wenn man ihnen täglich ein mehrstündiges Musikprogramm bietet. Am liebsten hören sie Mozart. Verwechseln Sie bitte nicht Ziegen mit Kühen! Die Kühe sind plump und dumm - die Ziegen hingegen sind in höchstem Maße klug und deshalb auch sehr anspruchsvoll.«
Wie liebevoll Mr. Watson mit seinen meckernden Tierlein umging - man sah's in diesen Minuten: Er kraulte und tätschelte sie, als wären sie Schoßhunde.
Der Engländer führte jetzt die beiden »Gobains" in seine kleine Käsefabrik. In dem Raum, der unmittelbar neben dem Ziegenstall lag, sah man eine Zentrifuge und mehrere andere Apparate, die ganze Einrichtung war blitzeblank.
»Haben Sie auch ein Depot für den fertigen Käse?« fragte der junge Franzose und tat so, als interessiere ihn das nur am Rande.
Watson zog aus seiner linken Westentasche einen Schlüssel und öffnete mit ihm die Tür einer etwas tiefer gelegenen kellerähnlichen Kammer. Clarisse und Lennet traten näher. Auf einem großen Holzgestell mit vielen Fächern lagen Dutzende fertiger Käsestücke, eins wie das andere in derselben Scheibenform. Kleine Schilder vor den vertikalen Streben des Gestells gaben das jeweilige Herstellungsdatum an. Ein Gerät zur Messung der Luftfeuchtigkeit ergänzte das Inventar.
Die drei verließen wieder das Depot. Mr. Watson verschloß die Türe der Kammer und steckte den Schlüssel in seine linke Westentasche.
»Nun wird es aber Zeit, daß wir uns verabschieden", meinte der Franzose. »Wir möchten uns herzlich bedanken, Mr. Watson. Es war überaus lehrreich, was wir heute durch Sie erfahren haben.«
Der Engländer begleitete die beiden »Gobains" nach draußen.
Im Garten sagte er: »Unverkennbar, daß Sie einer Familie von Versicherern entstammen. Das Erbteil läßt sich nicht verleugnen.«
Lennet erwiderte lächelnd: »Sie sind wirklich sehr nett zu uns gewesen, Mr. Watson, ich werde Papa von Ihnen erzählen. Oh!
Passen Sie auf! Eine Stechmücke sitzt hinten auf Ihrem Hals! -
Moment, das haben wir gleich!« Und der Franzose schlug kurz mit der rechten Hand zu - und dem bösen Insekt wurde der Garaus gemacht.
Die drei befanden sich schon im Vorgarten, als der Agent plötzlich ausrief: »Verflixt, jetzt hab ich doch mein Taschentuch im Ziegenstall vergessen. Vorhin, ja, nach dem Streicheln der lieben Tierchen wischte ich mir die Finger ab - natürlich, ich weiß schon, wo es liegen muß.«
»Warten Sie, ich begleite Sie", sagte Watson, doch Lennet war bereits zum Haus zurückgelaufen.
»Mein Cousin findet sich auch allein zurecht", beschwichtigte Clarisse den Engländer. »Keine Angst, Mr. Watson, er wird Ihren Ziegen bestimmt keine Windpocken anhängen.«
Watson erschien die Sache mit dem Taschentuch nicht ganz geheuer. Er ging dem Agenten hinterher. Clarisse folgte ihm.
Der Engländer war wenige Schritte vor dem Ziegenstall, da tauchte Lennet bereits wieder auf. Er schwenkte hocherfreut sein Taschentuch und sagte: »Das gute Stück lag
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