03 Göttlich verliebt
funktioniert, oder? Wir haben die Champions aus einem bestimmten Grund gewählt – wenn du stirbst, haben wir verloren. Ich dachte, das hättest du verstanden.«
»Das habe ich. Helena von Troja hatte keine andere Wahl, als sich rauszuhalten und andere für sie kämpfen zu lassen, und wir wissen ja alle, welche Folgen das für Troja hatte«, bemerkte sie spitz. Orion kniff die Lippen zusammen und drehte sich zu den Rüstungen um.
»Du gehst mir echt auf den Geist, Helen«, knurrte er. Er öffnete den Gürtel und zog seine Sachen aus, um die Rüstung anzulegen. Helen kam ihm zu Hilfe.
»Das ist mir klar«, sagte sie und nahm Orions weißen Brustpanzer vom Ständer. »Das liegt nur daran, dass ich zu feige bin, das zu tun, was ich wirklich tun muss.«
»Und das wäre?«, fragte er und breitete die Arme aus, damit Helen den Brustpanzer an den Seiten festbinden konnte. Cassandra tauchte neben ihr auf, und das Armband, das Orion ihr gebastelt hatte, klimperte. »Kitty-Katze, was machst du denn noch hier?«, fragte Orion sie ungeduldig, als wäre ihm Cassandras Anwesenheit erst jetzt aufgefallen.
»Ich –«, begann sie.
»Geh nach Hause zu Noel und Kate. Hier ist es zu gefährlich für dich«, schimpfte Orion. Cassandra war verunsichert und wollte seine Kampfhandschuhe wieder hinlegen, doch Helen nahm ihre Hand und hielt sie auf.
»Cassandra ist hier, um in deiner Nähe zu sein, damit sie keine Prophezeiung abgeben muss«, erinnerte ihn Helen. Sie mühte sich noch einen Moment mit den Verschlüssen von Orions Rüstung ab und hob dann entnervt beide Hände. »Und sie ist hier, um dich einzukleiden. Ich habe nämlich keine Ahnung, wie man diese blöden Teile befestigt.«
Helen trat zurück und überließ Cassandra das Feld. Orion sah sie dabei nicht einmal an.
»Also, sag schon. Ich kann nicht erwarten zu hören, was es ist, für das du ›zu feige‹ bist«, sagte Orion zweifelnd, als wäre es für ihn undenkbar, dass Helen jemals feige sein könnte.
»Mich selbst unsterblich zu machen«, antwortete Helen, und dabei brach ihr die Stimme. »Und nicht nur fast unsterblich – nicht auf diese Weise unsterblich, dass ich mein Leben beenden kann, wenn ich es in einer Zillion Jahren satthabe –, sondern richtig unsterblich, bis den Sternen das Licht ausgeht, weil ich mich nur so mit Zeus duellieren kann. Ich will aber nicht unsterblich sein.« Helen brannten die Tränen in den Augen. »Ich habe Angst vor der Ewigkeit.«
Orion ließ Cassandra stehen, als wäre sie gar nicht anwesend, und nahm Helen in die Arme.
»Okay, das kann ich verstehen. Das würde mir auch Angst machen«, sagte er und hielt sie sanft fest, um sie nicht schmerzhaft an seine Rüstung zu quetschen.
Während Orion sie noch in den Armen hielt, bemerkte Helen, dass Cassandra sie mit ihren großen blauen Augen anstarrte. Helen befreite sich aus Orions Umarmung und trat ein paar Schritte zurück. Wie konnte Orion bei Cassandra nur so unsensibel sein?
Mochte er sie vielleicht nicht? Helen wusste, dass das nicht der Grund sein konnte. Er hatte seine »Kitty-Katze« wirklich gern – er sah sie nur nicht als Frau. Natürlich war sie wirklich noch etwas zu jung für ihn, aber es war trotzdem merkwürdig, dass er anscheinend nicht in ihr Inneres schauen konnte wie bei allen anderen Leuten. So, wie die Parzen ihn nicht durchschauen können, dachte sie. Aeneas war ein Sohn von Aphrodite, aber auch er war nie auf die Idee gekommen, dass Kassandra von Troja in ihn verliebt sein könnte.
Helen wurde klar, dass die Parzen Cassandra ebenso vor Orion verbargen wie Nemesis Orion vor den Parzen verbarg.
»Wieso musst du überhaupt unsterblich sein?«, fragte er und riss Helen damit aus ihren Gedanken und brachte sie zurück in die wesentlich dringlichere Realität.
»Damit es mein Kampf wird. Wie er es von Anfang an hätte sein müssen«, murmelte Helen und rieb ihre Handflächen nervös an der Jeans.
Draußen waren Geräusche zu hören – ihre Truppen kehrten zurück. Helen hörte Scions vom Haus von Rom rufen: »Er ist tot! Tantalus ist tot! Jetzt haben die Götter keinen Champion mehr übrig!«
Aber Helen wusste, dass sich die Götter nicht so leicht geschlagen gaben. Bevor sie zuließen, dass Helen als Siegerin hervorging, würden sie jedes Gewitter, jedes Erdbeben und jede Flutwelle losbrechen lassen, die sie zur Verfügung hatten.
»Wer hat ihn getötet?«, rief Orion freudig und eilte zum Eingang des Zelts.
»Meine Mutter«, antwortete Helen.
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