03 Göttlich verliebt
so lange abwehren können, bis der Campus-Sicherheitsdienst auftauchte, den sie mit einem stillen Notruf-Pieper zu Hilfe gerufen hatte. Der junge Mann entkam unter »verdächtigen« Umständen. Die Polizei von Wellesley hoffte auf Hinweise aus der Bevölkerung und hielt den Angreifer für sehr gefährlich.
Anscheinend hatten mehrere Augenzeugen vom Sicherheitsdienst angegeben, dass der junge Mann weggeflogen wäre, als er merkte, dass er umstellt war. Das Mädchen erholte sich im Krankenhaus von seinen Verletzungen.
»Und jetzt kommt der echte Klopfer.« Claire scrollte hinunter bis zu einer Phantomzeichnung von jemandem, der fast genauso aussah wie Hector.
»Oh. Na, super«, bemerkte Hector trocken.
»Was hat das zu bedeuten?«, fragte Ariadne, und ihre Augen waren vor Angst weit aufgerissen, als sie einen nach dem anderen ansah. »Die sind doch jetzt nicht hinter Hector her, oder?«
Das konnte niemand beantworten.
»Ich kenne ein paar Orte, an denen du für eine Weile untertauchen kannst«, bot Orion halblaut an. »Sehr nett ist es zwar nicht, aber die Leute dort haben ein ausnehmend schlechtes Personengedächtnis.«
Helen musterte Orion ein wenig geschockt und fragte sich, von welchen Orten er wohl sprach. Ihr schossen alle möglichen abstoßenden Bilder durch den Kopf. Sie konnte sich Orion beim besten Willen nicht in irgendeiner miesen Absteige oder Räuberhöhle vorstellen. Andererseits kannte er sich in diesen Welten vermutlich besser aus als jeder andere, den sie bisher kennengelernt hatte. Wieder versuchte sie sich vorzustellen, was für eine schreckliche Kindheit Orion gehabt haben musste und ob er ihr jemals davon erzählen würde – auch, woher er seine Narben hatte.
»Danke, Kumpel. Aber ich werde meine Familie nicht noch einmal verlassen«, sagte Hector und bedachte Orion mit einem freundschaftlichen Blick.
Orion nickte, doch Ariadne schüttelte energisch den Kopf. »Nein, Hector, nein«, sagte sie fast panisch. »Wir haben dich gerade erst zurückbekommen. Ich will nicht, dass dich jemand mitnimmt und ins Gefängnis steckt.«
»Keine Sorge«, sagte er, zog seine Schwester an sich und tätschelte mit einer seiner Riesenhände ihre Schulter. »Niemand weiß, dass ich auf der Insel bin. Die denken doch alle, dass ich in Europa studiere. Ich werde mich hier im Haus verstecken. Mir passiert schon nichts.«
Das beruhigte Ariadne, die die Arme um ihren Bruder schlang und ihn fest an sich drückte. Über ihren Kopf hinweg tauschten Hector und Matt einen bedeutsamen Blick, mit dem Matt Hector lautlos versprach, sich um Ariadne zu kümmern, falls Hector etwas passieren sollte. Aus irgendeinem Grund konnte Helen diese Gefühle zwischen den beiden so deutlich sehen wie die Farben auf einem Ölgemälde. Sie blinzelte heftig und hoffte inständig, dass diese Visionen bald wieder aufhörten.
»Was zum …?«, rief Orion plötzlich aus. Er fuhr hoch und riss Helen damit aus ihren Gedanken. Orion drehte sich zu Cassandra um, die hinter ihm aufs Bett gekrochen war. Erst als er sie erkannte, beruhigte er sich wieder.
»Warst du schon die ganze Zeit hier?«, fragte Claire verwundert.
Cassandra zuckte mit den Schultern, sagte aber nichts.
»Sie erschreckt mich zu Tode und das mindestens fünf Mal am Tag. Ich schwöre dir, sie gibt nicht den geringsten Laut von sich, wenn sie sich bewegt«, sagte Orion zu Claire. »Mach so weiter, und ich hänge dir ein Glöckchen um den Hals und nenne dich von nun an Kitty, die Katze«, drohte er ihr mit strenger Miene, schubste sie aber dennoch nicht vom Bett. Stattdessen hob er sie hoch und setzte sie auf sein Kopfkissen, damit sie an ihrer Unterhaltung teilnehmen konnte.
»Also, uns allen ist klar, dass jemand dieses Mädchen finden und so schnell wie möglich herbringen muss«, sagte Orion und zeigte auf den Artikel. Jason, Lucas und Hector nickten.
»Wartet mal. Wieso denn?«, fragte Helen verblüfft.
»Weil sie in der Welt der Normalsterblichen nicht mehr sicher ist. Apoll hat sie nicht gekriegt – noch nicht«, sagte Jason und verstummte bedeutungsvoll. Auf der Suche nach einer Erklärung sah Helen Claire an, aber auch sie schien nicht zu wissen, was los war.
»Apoll lässt nie ein Mädchen davonkommen«, sagte Lucas, als widerte es ihn an, mit einem so abscheulichen Typen verwandt zu sein. »Wenn er eine Sterbliche wollte, hat er sie gejagt, auch wenn sie nichts mehr mit ihm zu tun haben wollte. Wo immer sie auch hinrannte, ist er ihr gefolgt. Er hat nie
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