03 Göttlich verliebt
Osten und auch anders als ihre verstorbene Mutter. Clanführer oder nicht, ihr Vater war nur ein Normalsterblicher und überzeugt, seiner Tochter die größte Ehre zu erweisen, wenn er sie diesem jungen und durchaus ansehnlichen Hochkönig schenkte. Guinevere hatte keinen vernünftigen Grund abzulehnen. Ihr Vater hatte das Recht, sie mit jedem zu verheiraten, den er für richtig hielt, und solange sie nicht bereit war, ihr Geheimnis und das ihrer Mutter zu enthüllen, musste sie sich seinen Wünschen fügen.
Tränen der Frustration und Wut füllten Guineveres Augen. Helen konnte Guineveres Gefühl der Hilflosigkeit gut nachempfinden, denn es war einst ihr eigenes gewesen.
»Ihr habt meine Frage nicht beantwortet«, rief Lancelot auf der anderen Seite des geschlossenen Fensters. »Ihr seid nun schon mehr als einen Tag dort eingeschlossen. Müsst Ihr Euch erleichtern, Prinzessin?«
Guinevere wischte sich stolz die Tränen aus den Augen, strich ihre zerzausten Haare glatt und riss das Fenster auf. »Nein!«, zischte sie und knallte das Fenster wieder zu.
Lancelot lachte verblüfft auf. Es vergingen ein paar Minuten, in denen angespannte Unentschlossenheit herrschte. Sein schwarzes Kriegspferd tänzelte nervös vor Guineveres vergittertem Fenster herum, als wollte es sie nicht verlassen. Doch dann schnalzte Lancelot mit der Zunge und sein gewaltiges Ross donnerte davon.
Guinevere ließ den Kopf auf die verschränkten Arme sinken und versuchte, nicht daran zu denken, wie dringend sie sich erleichtern musste.
Nur ein paar Augenblicke später fuhr sie aufgeschreckt zusammen. Vom Ende des Trecks drangen Schreie zu ihr herein. Guinevere sprang auf und zog ihren Dolch.
Die Kutsche kam mit einem Ruck zum Stehen und Helen konnte das Gebrüll der Männer hören. Etwas rammte die stehende Kutsche so heftig, dass Guinevere gegen die Wand geworfen wurde. Sie stützte sich ab, doch im selben Moment wurde die Kutsche noch einmal getroffen und kippte auf die Seite – mit dem Fenster nach unten. Sofort war es stockdunkel im Innern, denn nun war der einzige Fluchtweg durch den Erdboden abgeschnitten.
»Zur Prinzessin!«, befahl Lancelots Stimme aus einiger Entfernung. »Umstellt die Kutsche!«
Draußen ertönten die Geräusche von vielen Männern, die sie umstellten. Guinevere lauschte dem Krachen von Metall und hörte die Angreifer auf die Kutsche zurennen. Körper prallten dagegen und gingen zu Boden und ihre röchelnden letzten Atemzüge waren nicht zu überhören.
Guinevere warf sich immer wieder mit der Schulter gegen die Wand der Kutsche, in der Hoffnung, sie umzukippen und das Fenster freizubekommen, aber es gelang ihr nur, das massive Gefährt ins Wanken zu bringen. Sie stöhnte frustriert auf.
»Lady Guinevere! Seid Ihr verletzt?«, rief Lancelot.
»Nein«, antwortete Guinevere. »Lasst mich frei, damit ich kämpfen kann.«
Lancelot stieß einen gereizten Schnaufer aus. »Die haben sich in den Wald zurückgezogen.«
»Pikten?«, riet Guinevere, doch Lancelot antwortete nicht – vermutlich weil er nicht wusste, wer die Angreifer waren. »Sie werden nach Einbruch der Dunkelheit mit weiteren Kriegern kommen«, versicherte sie ihm. »Bitte glaubt mir, Ihr habt sie zwar zurückgedrängt, aber sie sind nicht abgezogen.«
»Ich weiß. Ich kann sie zwischen den Bäumen zwar nicht sehen, aber riechen.«
»Ihr müsst mich freilassen!«, flehte Guinevere. »Sie wollen mich, nicht die Reichtümer, die wir mit uns führen.«
»Woher wisst Ihr das?«, fragte Lancelot, als ahnte er, dass sie die Wahrheit sagte.
»Die Pikten sind einer der ältesten Stämme. Bei ihnen gibt es alte Überlieferungen über Menschen wie uns, Sir Lancelot. Sie werden nicht riskieren, mich oder Euch direkt anzugreifen. Stattdessen werden sie versuchen, Euch wegzulocken, und mich werden sie hier sitzen und hungern lassen. Sie werden warten, bis mich Hunger und Durst zu sehr geschwächt haben, um mich zu wehren. Sie wollen mich nicht töten. Sie wollen …«, sie zögerte kurz und suchte nach den richtigen Worten. »Sie wollen Kinder von mir. Um ihren Clan zu stärken.«
Lancelot stieß einen angewiderten Fluch aus. Sie konnte sein lautes Atmen hören. »Aber wenn ich Euch freilasse …, weiß ich nicht, was ich Euch antun könnte. Seid Ihr sicher, dass das nicht schlimmer ist?«
»Lieber sterbe ich in einem ehrenhaften Kampf gegen Euch, als mich als Zuchtstute missbrauchen zu lassen. Lasst mich wenigstens kämpfen«, flehte sie mit erstickter
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