03 Göttlich verliebt
geworfen hatte. Andy folgte dem schweigenden Hector fassungslos.
»Ist das alles?«, sagte sie ungläubig. »Du sagst kein einziges Wort zu mir? Du rettest mir das Leben, nickst und gehst weg, als würdest du so was jeden Tag machen?«
Hector sah sie nicht an. Er wandte den Blick ab, zog sich das Hemd über den Kopf und bückte sich nach seinen Schuhen.
»Hey!«, schrie sie jetzt, als Hector sie immer noch ignorierte. »Hey!« Sie rannte auf ihn zu und schubste ihn, so heftig sie nur konnte.
»Was?«, fragte er frustriert, als er von ihr wegtaumelte.
»Was meinst du mit ›Was‹?«, brüllte sie ihn sarkastisch an.
»Ich meine, was willst du, Andy? Soll ich verschwinden oder bleiben oder tot umfallen? Was?«
Hector sah ihr in die Augen. Er musterte sie so eindringlich, als suchte er etwas in ihr. Andy zuckte mit den Schultern. Sie hatte keine Ahnung, was er zu finden hoffte. Mit den Schuhen in der Hand setzte er sich in den Sand, als würde er seinen Widerstand aufgeben.
»Ich kann mich nicht mit dir auseinandersetzen. Nicht heute Abend«, sagte er ruhig. »Ich musste gerade mit ansehen, wie mein Cousin vor meinen Augen verbrannt ist –«
Er verstummte und schaute zur Seite. Andy kniete sich neben ihm in den Sand, während er mit sich kämpfte. Sie fühlte sich schrecklich. Er war vollkommen am Ende, und trotzdem hatte er seine Gefühle verdrängt und sein Leben riskiert, um ihres zu retten. Und sie hatte ihn dafür angebrüllt. Nicht gerade eine Meisterleistung.
»Es tut mir leid, Hector.« Als Andy seinen Arm mit den Fingerspitzen berührte, lehnte er sich ein kleines bisschen mehr in ihre Richtung.
»Das Schlimmste ist, dass ich nicht weiß, wohin sie gegangen sind und wie es ihm geht«, vertraute er ihr an. »Ich hasse es, dass ich ihnen nicht helfen kann. Verstehst du?«
Natürlich verstand sie es. Hector war gut darin, andere zu retten. Sie hatte gerade selbst erlebt, dass er zu den Menschen gehörte, die lieber mit einem Gott kämpften, als sich nutzlos zu fühlen. Nichts tun zu können, war für ihn vermutlich die schlimmste Art der Folter.
»Kann Orion sie nicht in der Unterwelt finden? Vielleicht könnte er dich sogar dorthin mitnehmen? Dann könntest du die beiden zurückholen«, sagte sie hoffnungsvoll.
»Orion kann Helen nicht finden. Sie ist es, die ihn findet, wenn sie sich in der Unterwelt treffen«, entgegnete Hector mit einem Kopfschütteln.
»Sie haben so viel Zeit da unten verbracht, ohne einen festen Treffpunkt auszumachen?«
»Zeit und Ort sind dort nicht so wie hier, und Helen ist der Deszender, nicht Orion. Er könnte nach ihr suchen, aber solange sie nicht weiß, dass er sie sucht, würden sie sich nie begegnen.« Hector grub frustriert die Finger in den Sand. »Helen ist diejenige, die die Kontrolle hat.«
»Das höre ich in letzter Zeit immer öfter.« Andy betrachtete die Muster, die er in den Sand gezeichnet hatte, und runzelte die Stirn. »Also können wir nichts tun, als auf Helens Rückkehr zu warten? Das ist ja kaum auszuhalten.«
»Deswegen musste ich auch schwimmen gehen. Unter meinen Vorfahren muss eine Wassernymphe sein, deshalb fühle ich mich im Meer immer wie zu Hause«, sagte er lächelnd und schaute nach unten. »Schwimmen beruhigt mich.«
»Mich auch.« Sie betrachtete sein Profil und wunderte sich, wie es möglich war, dass sie jetzt schon so viele Gemeinsamkeiten hatten. Sie hatten bisher nur wenige Worte gewechselt und doch verstand sie ihn genau. »Und beinahe in einen Kampf mit einem Gott zu geraten, ist nicht gerade beruhigend. Das tut mir leid.«
»Nein, sag so was nicht.«
Als Hector zu ihr aufschaute, stockte Andy der Atem. Er war natürlich wunderschön, aber Schönheit allein war es nicht. Was sie viel mehr berührte, war all das Leben, das sie in seinem Innern sah. Er hatte einen so starken Geist, der förmlich aus seinen Augen zu springen und sie zu verschlingen schien.
»Dass du aufgetaucht bist, war das Beste, was mir den ganzen Tag passiert ist«, sagte er und ruinierte damit diesen speziellen Augenblick. Andy verzog das Gesicht.
»Oh, okay. Danke«, sagte sie trocken. »Allerdings käme dieser Spruch viel besser, wenn ich nicht wüsste, was für einen miesen Tag du hattest.«
Beide mussten lachen.
»Der Spruch war echt ein bisschen peinlich, stimmt’s?«, fragte er grinsend.
»Ich habe schon Schlimmeres gehört. Aber ja, er war ziemlich daneben.« Sie lächelte ihn an und hob ungläubig die Hände. »Was war los mit dir? Ich
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