03 Göttlich verliebt
nicht anders – er musste ehrlich zu ihnen sein und ihnen seine Zweifel eingestehen. »Es tut mir leid, Brüder. Ich bin nicht sicher, dass dieser Krieg gerechtfertigt ist. Es ist nicht unsere Mission, an der ich zweifle. Ich weiß, dass es das Richtige ist und dass ich es tun muss, so schwer es mir auch fällt. Aber ich habe immer noch Bedenken, mit wem wir in diesen Kampf ziehen.«
»Wie schon in Troja«, sagte Telamon mit einem wissenden Lächeln, als wollte er Matt darauf hinweisen, dass sich seitdem kaum etwas geändert hatte. »Du kämpfst für keinen König und kein Land, Meister. Du kämpfst für das Recht jedes Mannes, sein Schicksal in die eigenen Hände zu nehmen. Wie es jeder von uns getan hat, als wir den Eid auf die Klinge geleistet haben.«
»Den Eid auf die Klinge«, wisperten die anderen Myrmidonen.
»Ein Mann, eine Stimme«, gab ihnen Telamon das nächste Stichwort.
»Ein Mann, eine Stimme«, intonierten die Myrmidonen.
Matt wartete, bis der Chor der Gläubigen verstummt war, bevor er weitersprach. Etwas an ihren gleichartigen Gedanken störte ihn, zumal das, was sie gerade heruntergebetet hatten, der Eckstein des eigenständigen Denkens und ein Juwel der griechischen Philosophie war.
»Ein Mann, eine Stimme« war der Grundgedanke der Demokratie. Reich oder arm, Gott oder Sterblicher – Matt war fest davon überzeugt, dass alle gleich viel wert waren. Die Schwachen hatten dasselbe Recht, ihre eigenen Entscheidungen zu treffen, wie die Mächtigen. Und um diese Überzeugung zu verteidigen, würde er notfalls auch in den Tod gehen. Aus Erfahrung wusste er, dass die Machtlosen litten und oft auch starben, wenn ein Einzelner zu viel Macht bekam. Und das konnte er nicht zulassen. Nicht, wenn er es verhindern konnte. Er wollte jedoch nicht dieselben Fehler machen wie einst in Troja.
»Der Götterbote Hermes hat mich informiert, dass sich einige Scions unserem Kampf gegen den Tyrannen anschließen wollen, aber ich traue ihnen nicht. Deswegen möchte ich, dass ihr es euch überlegt. Sollen wir allein vorgehen?«, fragte Matt laut, um alle Männer in die Entscheidung einzubeziehen. »Was sagt ihr? Sollen wir Hermes bitten, ein Treffen für uns zu arrangieren? Oder können wir es tun, ohne uns mit Menschen und Göttern zu verbünden, die kaum besser sind als das Übel, gegen das wir kämpfen?«
»Wir kämpfen und sterben nur für ein Ziel, Meister«, sagte Telamon. Alle anderen wisperten im Chor das Wort Meister, was Matt irgendwie nervös machte. »Allein oder mit Verbündeten, das spielt keine Rolle. Wenn du kämpfst, werden die, die dasselbe Ziel verfolgen, deine Siege als ihre ausgeben, ob du es willst oder nicht. Aber wichtig ist nur eine Sache.«
Matt nickte, denn seine Entscheidung war getroffen, obwohl er wusste, was ihn das kosten würde. »Der Tyrann muss sterben.«
Helen lag im Gras und sah Lucas beim Schlafen zu. In ihrem ersten Moment bestand die neue Welt, die sie geschaffen hatte, nur aus dem Notwendigsten – weiches Gras, blauer Himmel und Lucas, der neben ihr lag. Aber dann wuchs ihre Welt, denn Lucas litt unter schrecklichen Schmerzen.
Sie befahl der Sonne, seinen Schmerz zu nehmen, der Luft, seine Wunden zu heilen, und dem Boden, ihn zu nähren, damit er weder Essen noch Wasser brauchte. Nur Sekunden später war Lucas wieder gesund. Als er die Augen aufschlug und ihre Blicke sich trafen, war Helens ganze Welt in ihm.
»Hi«, sagte er und lächelte sie an.
»Hi«, erwiderte sie und lächelte zurück.
»Bin ich tot?«
»Nicht die Bohne.«
»Oh, gut.« Er schaute auf zum strahlend blauen Himmel.
Helen war noch nicht dazu gekommen, ein paar Wolken zu erschaffen. Sie tauchten sofort am Himmel auf, als sie nur daran dachte, und dämpften das grelle Sonnenlicht so perfekt, dass Lucas nicht davon geblendet wurde.
»Bist du sicher, dass ich nicht tot bin? Weil ich mich nämlich ziemlich tot fühle«, sagte er misstrauisch.
Helen kicherte und legte ihm eine Hand auf die Brust. Einen Moment lang war das regelmäßige Pochen seines Herzens das einzige Geräusch in ihrer Welt. »Ich finde nicht, dass du dich tot anhörst.«
»Das ist die Hauptsache«, sagte er und drehte den Kopf, um sie anzusehen. Besorgnis verdüsterte seinen Blick. »Ich weiß, dass das unmöglich ist. Was hast du gemacht, Helen?«
»Ich habe dir eine Welt erschaffen.«
Lucas setzte sich auf und sah sich um, was sie plötzlich so verlegen machte, als würde er ein unfertiges Gemälde betrachten,
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