03 Göttlich verliebt
ist.«
»Nein. Gar nicht angenehm«, bestätigte Helen. »Aber wieso haben die es ausgerechnet auf mich abgesehen? Was ist denn so besonders daran, ein Weltenschöpfer zu sein?«
»Weil du alle Scions nach Jederland bringen und sie unsterblich machen kannst, wenn das dein Wunsch ist. Und als Weltenschöpfer bist du die Einzige deiner Art, die die Portale zum Tartaros öffnen und die Zwölf dorthin schicken kann – aber sei gewarnt, Helen. Auch Zeus ist ein Weltenschöpfer. Er kann dich ebenso in den Tartaros schicken wie einst die Titanen.«
Darüber musste Helen erst einmal nachdenken. Wenn sie alle Scions unsterblich machte und sie dann gegen die Götter des Olymp antraten, konnten die Olympier unmöglich gewinnen.
»Und was ist mit dir und Hades? Jeder von euch könnte Zeus herausfordern, aber er lässt euch beide in Ruhe. Wie vermeidet ihr diesen Kampf?«
»Ich verlasse mein Reich niemals, und es wäre Selbstmord für Zeus, wenn er versuchte, mich hier anzugreifen, wo ich der Alleinherrscher bin.«
»Und Hades?«
»Auch er verlässt sein Reich nur selten und wenn doch, dann macht ihn sein Helm der Dunkelheit für Menschen und Götter gleichermaßen unsichtbar.« Helen dachte wieder daran, wie Eris direkt an ihr und Lucas vorbeigegangen war, als Lucas sie beide kurz vor dem Ausbruch der Krawalle auf dem Schulflur unsichtbar gemacht hatte. Doch bevor sie genauer über diesen Zusammenhang nachdenken konnte, fuhr Morpheus fort: »Und viel wichtiger ist, dass Zeus nicht auf seinen großen Bruder Hades verzichten kann. Die Toten brauchen ein eigenes Reich, und das Letzte, was Zeus will, ist, die Toten am Hals zu haben.«
»Und was soll ich jetzt tun?«, fragte Helen flehentlich.
»Kämpfen. Oder dich in deinem Jederland verstecken, wo Zeus dich nicht erreichen kann.« Morpheus lächelte sie liebevoll an. »Ich würde Letzteres empfehlen, obwohl ich natürlich weiß, dass du nicht auf mich hören wirst. Du gehörst nicht zu denen, die sich verstecken.«
»Ich kann nicht in Jederland bleiben und die Erde den Göttern überlassen. Sie würden sie zugrunde richten. Aber gibt es vielleicht einen Weg, den Kampf zu vermeiden?«, fragte Helen. Sie bezweifelte es zwar, aber es konnte nicht schaden, wenn sie zumindest versuchte, einen schrecklichen Krieg abzuwenden, der vermutlich unzähligen Menschen das Leben kosten würde.
»Kann man seinem Schicksal entgehen? Viele haben versucht, ihm ein Schnippchen zu schlagen, wie etwa Ödipus, aber hat es wirklich jemand geschafft, ihm zu entkommen?«, antwortete Morpheus mit einer Gegenfrage.
»Ja. Es gibt den freien Willen«, entgegnete Helen, der gerade ein Gedanke gekommen war. »Alles, was man dazu braucht, ist ein Beschützer.«
Morpheus sah sie fragend an, denn er verstand nicht, was sie damit meinte. Doch sie schüttelte nur den Kopf und wechselte das Thema.
»Warum helft ihr mir – du und Hades?«, fragte sie.
»Ich bin zwar der Gott der Träume, aber ich würde trotzdem nicht im Traum daran denken, für Hades zu sprechen«, erwiderte Morpheus mit einem verschmitzten Funkeln in seinen Augen. »Aber wenn ich raten müsste, würde ich vermuten, dass es daran liegt, dass er genau weiß, wie zerstörerisch sein kleiner Bruder ist. Im Gegensatz zu anderen Göttern hat Hades etwas für die Sterblichen übrig und will nicht, dass sie in einen Krieg verwickelt werden. Wahrscheinlich rührt sein ausgeprägter Sinn für Gerechtigkeit daher, dass er schon Millionen von Seelen beurteilen musste, und dich ohne jedes Training gegen Zeus antreten zu lassen, kommt ihm vermutlich ungerecht vor.«
Helen runzelte die Stirn. Sie musste daran denken, wie sie Orion einmal gefragt hatte, was ihm wichtiger wäre als immerwährendes Glück. Er hatte »Gerechtigkeit« geantwortet. Das war noch ein Charakterzug, den er mit Hades gemeinsam hatte.
»Und was ist mit dir?«, fragte Helen und verdrängte diesen Gedanken wieder.
»Ich habe ein viel einfacheres und eigennützigeres Motiv. Ich helfe dir, weil ich dich liebe und es nicht ertragen könnte, dich zu verlieren. Wusstest du das nicht?«
»Und?«, fügte Helen mit spöttisch gehobenen Brauen hinzu.
»Und ich glaube nicht, dass ich etwas von dir zu befürchten habe. Ich glaube nicht, dass du jemals versuchen würdest, mich in den Tartaros zu verbannen.«
»Niemals. Ich würde nicht in einer Welt ohne Träume leben wollen. Nicht einmal ohne meine eigenen«, sagte Helen und strich ihm über das glänzende schwarze Haar. »Ich habe
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