03 - Hinter dunklen Spiegeln
seinen Schutz, aber sie wollte auch seinen Respekt.
Aber hatte sie den nicht selbst verwirkt, als sie sich geweigert hatte, seine Berichte anzuhören? Als sie es zugelassen hatte, dass er die Briefe und deren Inhalt vor ihr verheimlichte? Das musste jetzt aufhören. Sie hatte bisher - mit Ausnahme einer kurzen Zeitspanne - ihr Leben immer in die eigene Hand genommen. Aus Angst hatte sie es
abgegeben. Aber jetzt wollte sie wieder selbst die Regie über sich führen.
Kirk fragte sich, wie lange es dauern mochte, bis sie wieder auftaute. Während des Nachmittags und Abends war sie überaus kühl gewesen. Kühl, verschlossen und distanziert. Es war ihm nichts anderes übrig geblieben, als es zu akzeptieren.
Obwohl, als er sie vor ihrer Schwester durch die Kirche hatte schreiten sehen, in ihrem graublauen, schwingenden Kleid, wäre er am liebsten von seinem Sitz aufgesprungen, um sie auf seinen Armen wegzutragen. Irgendwohin.
Er hatte sich gefragt, was es für ein Gefühl sein möge, an Roy Va- lentines Stelle zu stehen und Carrie anzusehen, so wie Roy Maddy angesehen hatte, als sie in ihren weißen Spitzen auf ihn zugegangen war. Wie wäre es, von Carrie das Eheversprechen zu hören, wie es ihre Schwester gelobt hatte? Er schüttelte diese Stimmung von sich ab.
Sie würden gleich landen. Carrie schlief unruhig neben ihm. Konnte sie denn nicht verstehen, dass er sich nur um ihretwillen so
verhalten hatte, wie er sich verhalten hatte? Weil er nichts anderes wollte, als sie entspannt sehen zu können, selbst wenn es nur für ein paar Tage wäre?
Sie konnte es nicht verstehen, und er hatte nicht versucht, es zu erklären. Er wusste nicht wie.
Er hatte eben nicht den smarten Umgangston ihrer gewohnten Verehrer. Er kannte keine Worte aus ausgeklügelten Manuskripten, die in seiner Erinnerung abrufbereit standen. Er hatte nur das, was in ihm war, und er sah keine Möglichkeit, das zu erklären. Worte waren keine Gefühle. Sätze waren keine Empfindungen. Und Gefühle, das war alles, was er hatte.
Als sie landeten, sah Carrie frisch und ausgeruht aus, als hätte sie acht Stunden in einem bequemen Bett geschlafen. Ohne Verzögerung bekamen sie ihr Gepäck, und zwanzig Minuten später saßen sie auf dem Rücksitz der Limousine und fuhren Richtung Beverly Hills.
Carrie zündete sich eine Zigarette an und sah verstohlen auf ihre Uhr. Sie fühlte sich jetzt doch abgespannt und übermüdet. Die Zeitverschiebung würde ihr morgen zu schaffen machen, doch sie würde funktionieren.
„Morgen Mittag möchte ich deine Berichte sehen.
Alle Berichte."
Die Straßenlampen warfen in regelmäßigen Abständen ihren Schein durch die Autoscheiben.
Sein Gesicht lag im Schatten, doch Carrie zweifelte, ob seine Miene überhaupt etwas verriet.
„In Ordnung, ich lege sie dir auf den
Schreibtisch."
„Außerdem hätte ich gern alle Informationen, die du in New York gesammelt hast."
„Du bist der Boss."
„Ich bin froh, dass du dich daran erinnerst."
Er hätte sie erwürgen können. Doch er lehnte sich nur zurück und wartete ab. Zu Hause angekommen, stieg sie schnell aus und verschwand hoch erhobenen Kopfes im Haus. Sie war schon oben auf der Treppe, als er sie erreichen konnte.
„Welche Laus ist dir eigentlich über die Leber gelaufen, Engel?"
„Ich weiß nicht, wovon du sprichst. Würdest du mich jetzt entschuldigen, Kirk." Aufreizend langsam löste sie seine Hand von ihrem Arm. „Ich will ein langes heißes Bad nehmen."
Niemand konnte es besser als sie. Das musste er ihr zugestehen, als er beobachtete, wie sie den Gang hinunter zu ihrem Schlafzimmer
schritt. Sie schaffte es mit einem Blick, mit einer leichten Veränderung ihres Tonfalls, einen Mann zu vernichten.
Er glaubte, er sei ruhig. Er glaubte, er sei kontrolliert - bis zu dem Augenblick, als er hörte, wie der Schlüssel in ihrem Schloss herumgedreht wurde. Dann brach die Wut, die er den ganzen Tag in sich aufgestaut hatte, durch. Er zögerte nicht, er konnte wahrscheinlich nicht mehr denken. Kirk ging zur Tür ihres Schlafzimmers und trat sie ein ...
Carrie war nicht oft sprachlos. Sie hatte ihre Kostümjacke ausgezogen. Sie wollte sich gerade ihr Haar hochstecken und erstarrte mitten in der Bewegung.
Sie hatte schon häufig Wut erlebt, echte und gespielte, doch noch nie etwas Vergleichbares wie das, was in Kirks Blick stand.
„Verschließ nie eine Tür vor mir." Nach dem Krachen des zersplitterten Holzes war seine Stimme ganz ruhig. „Lass mich nie
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